Die drei Ehen der Grand Sophy
deine Parteilichkeit macht dich hier etwas blind. Seit du wußtest, daß Miss Stanton-Lacy ihren Schmuck verkauft hatte, konntest du das übrige leicht erraten! Wenn ich nicht zufällig in der Lage gewesen wäre, dich davon in Kenntnis zu setzen – glaubst du, daß Hubert auch dann gestanden hätte?«
Er sagte ernst: »Solches Reden steht dir nicht gut! Ich weiß nicht, warum du gegen Hubert ungerecht sein oder warum du beständig wünschen solltest, daß ich schlecht von ihm denke. Jawohl, ich habe schlecht von ihm gedacht, und ich bin widerlegt worden. Der Fehler lag auf meiner Seite. Ich habe ihn behandelt, als wäre er ein Kind und ich sein Schulmeister. Ich hätte besser getan, mich mit ihm zu beraten. Wenn wir beide besser miteinander gestanden hätten, wäre all das nicht passiert. Er selbst hat das ja ausgesprochen: wenn wir einander gekannt hätten –! Du kannst dir vorstellen, wie mir zumute war, als ich solche Worte von meinem Bruder hörte.« Er lachte kurz auf. »Das war einmal eine gerade Rechte! Jackson selbst hätte sie mir nicht besser servieren können!«
»Ich fürchte«, sagte Miss Wraxton mit ihrer süßesten Stimme, »daß ich dich nicht verstehen werde, Charles, wenn du dich der Sprache des Boxringes bedienst. Ohne Zweifel würde deine Kusine mit ihrer umfassenderen Bildung eine solche Sprechweise besser würdigen.«
»Überraschen würde es mich auch nicht mehr«, gab er zurück.
All ihre Selbstbeherrschung bewahrte sie nun nicht vor der Bemerkung: »Du scheinst eine außerordentliche Neigung zu Miss Stanton-Lacy zu fassen.«
»Ich?« fragte er betroffen. »Für Sophy? Du lieber Himmel! Ich glaube, wie ich zu ihr stehe, das ist einigermaßen klar! Ich wollte, wir wären sie los, aber darum darf man sich nicht gegen ihre guten Eigenschaften blind stellen!«
Diese Erklärung wirkte besänftigend. »Gewiß nicht, und ich bin, so hoffe ich, auch nicht blind dagegen. Es ist ein rechter Jammer, daß sie nicht auf Lord Bromfords Bewerbung eingeht. Ein vortrefflicher Mann, verständnisvoll, und sein nüchternes Urteil kann, finde ich, auf jede Frau nur einen wohltätigen Einfluß ausüben.« Sie bemerkte, daß er sie belustigt ansah, und fügte hinzu: »Ich hatte den Eindruck, daß du geneigt warst, seine Bemühungen zu ermutigen.«
»Mir ist das ganz gleichgültig, wen Sophy heiratet. Den Bromford nimmt sie bestimmt nicht, und das ist ein Glück für ihn!«
»Leider scheint Lady Bromford das ebenso anzusehen«, sagte Miss Wraxton. »Sie und Mama sind befreundet, wie du weißt, und so hatte ich Gelegenheit, mit ihr über die Sache zu sprechen. Eine vortreffliche Frau! Sie sprach mir von Lord Bromfords heikler Gesundheit und ihren Besorgnissen. Ich konnte ihr das so nachfühlen! Da muß man wirklich sagen, daß deine Kusine nicht die geeignete Frau wäre …«
»Die denkbar ungeeignetste«, sagte er lachend. »Es ist unerfindlich, wie solch ein Bursche darauf verfallen konnte, sich in Sophy zu verlieben! Du kannst dir vorstellen, wie Cecilia und Hubert sie deswegen hänseln. Aus seinen Erlebnissen in Westindien machen sie Geschichten, daß sogar meine Mutter Tränen lacht! Er ist ja auch höchst absonderlich!«
»Da kann ich dir nicht beipflichten. Und sogar wenn ich es täte, so empfände ich es doch peinlich, die Empfindsamkeit eines Mannes zu verspotten.«
Dieser Vorwurf hatte die Wirkung, daß Mr. Rivenhall sich einer dringenden Verabredung entsann, die seinen raschen Aufbruch erzwang. Noch nie war er mit seiner Verlobten so wenig eins gewesen.
Anderseits hatte er noch nie so gut mit seiner Kusine gestanden, und diese erfreulichen Beziehungen erstreckten sich über eine ganze Woche. Sie bewogen ihn sogar, einem ausgesprochenen Wunsch Sophys, Kemble spielen zu sehen, nachzugeben. Doch machte er kein Hehl daraus, daß er die Affektiertheit des Theaterhelden unerträglich fand; allein schon Kembles abnorme Aussprache und Betonung stünden der Wirkung seiner glanzvollsten histrionischen Leistung im Wege; trotzdem nahm er eine Loge in Covent Garden und begleitete Sophy zusammen mit Cecilia und Mr. Wychbold. Sophy war ein wenig enttäuscht von dem Schauspieler, dessen Lob sie so oft gehört, doch verstrich der Abend recht angenehm und endete in dem modischen Hotel in der Henrietta Street, das unter dem Namen »The Star« bekannt war. Hier erwies sich Mr. Rivenhall als vortrefflicher Gastgeber, er bestellte ein Separée und ein Souper, das den höchsten Anforderungen entsprach. Seine
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