Die drei Ehen der Grand Sophy
im Augenblick alle ihre Schmerzen.
»Ja, Charles, und darum mußt du es schon dulden, daß ich dich ein bißchen zurechtmache und das Bett in Ordnung bringe. So, Charles, jetzt ist Miss Rivenhall bereit, dich zu empfangen!«
Sie schob den Wandschirm beiseite, daß das Kerzenlicht voll auf das Bett fiel, und nickte Charles zu. Er setzte sich ans Bett, überließ seine Hand der Kleinen und sprach ihr begütigend zu; sein Geplauder vermochte sie abzulenken, bis Sophy mit der Tasse Milch kam. Der bloße Anblick machte sie wieder mürrisch. Sie wollte nicht trinken, ihr würde übel werden von der Milch – warum ließ Sophy sie nicht in Frieden?
»Du bist hoffentlich nicht so unfreundlich, die Milch zurückzuweisen, wenn ich doch eigens gekommen bin, dir die Tasse zu halten«, sagte Charles und nahm die Tasse aus der Hand der Kusine. »Und schau nur, eine Schale mit Rosen darauf! Wo hast du denn die her? Die kenne ich ja noch gar nicht!«
»Cecilia hat sie mir geschenkt, ganz für mich allein. Aber Milch mag ich keine. Es ist mitten in der Nacht, da muß man nicht Milch trinken.«
»Hoffentlich hat Charles deine echten Rosen bewundert«, sagte Sophy und setzte sich so ans Bett, daß Amabel sich an sie lehnen konnte. »Wir sind so eifersüchtig, Cecy und ich! Amabel hat einen Verehrer – wir sind ganz in den Schatten gestellt! Sieh nur das Bukett, das er ihr gebracht hat!«
»Charlbury?« fragte er lächelnd.
»Ja, aber ich mag deinen Strauß am liebsten.«
»Natürlich tust du das«, sagte Sophy. »Darum mußt du auch den Schluck Milch trinken, den er dir anbietet. Damit du es gleich weißt, die Gefühle eines Gentleman sind sehr leicht verletzt, und das dürfen wir nie riskieren.«
»Stimmt«, bestätigte Charles, »ich werde glauben, daß dir Charlbury lieber ist als ich, und da werde ich sehr traurig sein.«
Darüber mußte sie lachen, und so, zwischen Unsinn und Gespött, wurde sie schließlich bewogen, fast die ganze Tasse leerzutrinken. Dann mußte sie sich wieder zurücklegen, aber Charles und Sophy sollten unbedingt bei ihr bleiben.
»Ja, aber schwatzen darfst du nicht mehr«, erklärte Sophy. »Ich erzähle dir wieder eines von meinen Abenteuern, und wenn du mich unterbrichst, verliere ich den Faden.«
»O ja, erzähle mir, wie du damals in den Pyrenäen den Weg verloren hast«, bat Amabel schon schlaftrunken.
Sophy tat es, senkte aber die Stimme, als die Lider des kleinen Mädchens schwer wurden. Mr. Rivenhall saß schweigend am Bett und beobachtete seine Schwester. Nun verriet Amabels tieferer Atem bereits, daß sie eingeschlummert war. Sophys Stimme erlosch; sie blickte auf und begegnete Mr. Rivenhalls Augen. Er sah sie an, als ob ihm plötzlich ein ganz neuer, verblüffender Gedanke gekommen wäre. Ein wenig fragend erwiderte sie diesen Blick. Er stand unvermittelt auf, streckte seine Hand aus, ließ sie wieder fallen, machte kehrt und verließ rasch das Zimmer.
XV
AM NÄCHSTEN TAG BEGEGNETE Sophy ihrem Cousin nicht. Seinen Besuch bei Amabel richtete er so ein, daß er zu einer Stunde kam, da Sophy ausruhte; zum Dinner kam er nicht nach Hause. Lady Ombersley fürchtete, es wäre ihm etwas in die Quere gekommen, denn sein Betragen war zwar von unerschütterlicher Geduld, auch zeigte er sich um ihr Befinden in Sorge, doch war seine Stirn umwölkt und auf viele Bemerkungen antwortete er nur flüchtig. Allerdings nahm er es auf sich, ein Spielchen Cribbage mit ihr zu spielen; und als dieses Spiel durch den Eintritt Mister Fawnhopes unterbrochen wurde, der Lady Ombersley eine Abschrift seines Gedichtes, für Cecilia aber ein Bukett Moosrosen überbrachte, war er genügend Herr seiner selbst, den Gast nicht mit Begeisterung, aber immerhin höflich zu begrüßen.
Mr. Fawnhope hatte am Vortag dreißig Verse seiner Tragödie zu Papier gebracht, mit denen er nicht unzufrieden war, und so befand er sich in guter Stimmung, war weder in Gedanken auf der Jagd nach einem treffsicheren, schmückenden Beiwort, noch brütete er über einem Vers, der nicht gelingen wollte. Er sprach ganz vernünftig, und als das Thema des Befindens der Patientin erschöpft war, äußerte er sich über verschiedene Gegenstände ganz wie ein vernünftiger Mensch; Mr. Rivenhall wandte ihm beinahe seine Sympathie zu und floh erst, als Lady Ombersley den Dichter aufforderte, seine Verse zu Amabels Errettung zum Vortrag zu bringen. Sogar diese schlimme Prüfung dämpfte die freundlicheren Gefühle nicht, die er jetzt für
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