Die drei Ehen der Grand Sophy
»Ich bezweifle, daß er von irgend etwas eine Ahnung hat und irgend etwas begreift, es sei denn einen Schlag mit einem Prügel. Wie ihr diesen Burschen ertragen könnt …«
»Ich sage dir doch, daß ich es gar nicht auf so etwas abgesehen hatte. Aber reden wir nicht davon! Ich habe einen heiligen Eid geschworen, heute nicht mit dir zu streiten.«
»Du setzt mich in Erstaunen! Warum denn?«
»Sei doch kein solcher Affe! Ich möchte deine Grauen kutschieren, das ist doch klar!«
Er nahm in der Karriole neben ihr Platz und nickte dem Groom zu, daß er den Halfter der Grauen freigeben könne. »Ach ja! Wenn wir aus London hinaus sind, magst du deinen Willen haben.«
»Diese Bemerkung ist darauf berechnet, mich aus der guten Laune zu bringen. Es wird dir nicht gelingen.«
»Ich zweifle an deiner Geschicklichkeit nicht.«
»Ein hübsches Geständnis. Und da du es gewiß nicht gern ablegst, doppelt wertvoll. Aber wir haben hier in England gute Straßen, da ist keine große Geschicklichkeit vonnöten. Du solltest die spanischen Straßen kennen!«
»Von langer Hand vorbereitete Provokation, Sophy«, erwiderte Mr. Rivenhall.
Sie lachte, gab es auf und begann von der Jagd zu plaudern. Sobald man die engen Straßen hinter sich hatte, lockerte er die Zügel und überholte die Landaulette. Miss Wraxton plauderte angeregt mit Mr. Fawnhope, während Cecilia ärgerlich vor sich hinstarrte. Warum, das erklärte Hubert, der einen Moment neben der Karriole herritt und berichtete, im Wagen stünde Dantés Inferno zur Diskussion. »Und das muß ich zugunsten Fawnhopes sagen«, fügte er hinzu, »er kennt dieses italienische Zeug weit besser als deine Eugenia, Charles, stundenlang kann er davon reden, kommt nicht in Verlegenheit! Und noch so einen anderen Knaben, Uberti oder so, den kennt er auch. Fades Zeug, wenn du mich fragst, aber Talgarth – übrigens, famoser Bursche, nicht? – findet ihn ungeheuer belesen. Cecilia ist gar nicht entzückt. Ich würde schrecklich lachen, wenn Eugenia sie bei dem Poeten ausstechen sollte!«
Da er von seinem Bruder nicht ermutigt wurde, dieses Thema weiter auszuspinnen, blieb er zurück und schloß sich wieder Sir Vincent an. Mr. Rivenhall übergab Sophy die Zügel und ließ die Bemerkung fallen, er wäre nur froh, nicht in der Landaulette sitzen zu müssen.
Aber sie bemerkte dazu nichts, und der Rest der Fahrt verlief sehr vergnüglich, und kein Zwischenfall trübte das gute Einvernehmen.
Das Haus, das Sir Horace für die Marquesa gewählt hatte, war ein geräumiger Landsitz im Stil Palladios, reizend in Gärten eingebettet, mit einem angrenzenden Hain, der von den Wiesengründen durch ein Gatter abgetrennt war, aber durch schöne Schmiedeeisentore betreten werden konnte, die ein früherer Besitzer aus Italien mitgebracht hatte. Einige niedrige Stufen führten von der Auffahrt zum Haupteingang. Das Tor wurde, als die Karriole anrollte, weit geöffnet, und ein kleiner schwarzgekleideter Mann trat mit einer Verneigung vor. Sophy begrüßte ihn in ihrer gewohnten freundlichen Art und erkundigte sich, wo Mr. Rivenhall seine Pferde abstellen könne. Der Kleine hob mit Befehlshabergebärde Daumen und Zeigefinger, fast wie zum Verschwörereid, und plötzlich kam, wie aus dem Nichts, ein Groom angesprungen und stand schon neben den Grauen.
»Ich möchte sehen, Sophy, wie meine Pferde untergebracht werden, und dann zusammen mit Mutter eintreten«, sagte Mr. Rivenhall.
Sophy nickte, stieg die Stufen hinan und sagte: »Es sind zwei Leute mehr mitgekommen, als Sie erwarteten, Gaston. Ihnen macht das doch gewiß nichts aus.«
»Es spielt keinerlei Rolle, Mademoiselle«, sagte er großartig. »Madame erwartet Sie im Salon.«
Die Marquesa hatte sich in einem Salon, der südwärts auf die Rasenflächen hinausging, auf einem Sofa ausgestreckt. Die Frühlingssonne war noch keineswegs grell, aber die Jalousien waren halb herabgelassen, um sie auszuschließen. Da die Jalousien grün waren wie die Bezüge der Stühle, lag der ganze Raum in einem gedämpften Licht, als wäre er unter Wasser. Sophy zog sofort die Vorhänge zur Seite und rief: »Sancia, du kannst unmöglich schlafen, wenn deine Gäste schon fast vor der Türe sind!«
Eine schwache Stimme antwortete vom Sofa her: »Mein Teint, Sophy! Nichts schadet dem Teint so sehr wie Sonnenschein! Wie oft habe ich dir das schon gesagt!«
Sophy trat zu ihr und beugte sich herab, um sie zu küssen. »Gewiß, teuerste Sancia, aber meine Tante wird
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