Die drei Frauen von Westport
ihn, obwohl er plötzlich nicht mehr wusste, was das eigentlich bedeutete. Und überdies merkte er, dass es ihm einerlei war. Er hatte sie aus dem Meer gezogen. Er konnte immer noch spüren, wie sich ihr nasser Körper angefühlt hatte. Kit wandte sich schnell wieder seinem Sohn zu. Er fand es irgendwie verwerflich, in Henrys Anwesenheit an so etwas zu denken, konnte jedoch nichts dagegen tun. Der Himmel hatte über Nacht aufgeklart, und die Spätsommersonne war golden und warm. Miranda duftete nach Parfum. Henry trat gegen den Autositz. Bum-bum. Bum-bum.
»Sie haben Ihre Schuld doch mit Keksen abbezahlt«, sagte Kit.
»Nein. Ich weiß was«, erwiderte sie. »Ich lade Sie zum Abendessen ein.«
Sie klang so klar und entschieden, als sei es selbstverständlich für sie, dass andere ihren Wünschen nachkamen. Auch Kit wollte ihren Wünschen nachkommen.
Henry sang ein Liedchen aus einer Fernsehsendung. »Sag auf Wiedersehen zu Miranda, Henry«, forderte Kit ihn auf.
Henry winkte artig und rief »Randa«. Miranda lächelte und winkte zurück.
»Morgen um sieben«, sagte sie zu Kit. »Holen Sie mich hier ab.«
Er nickte und sah ihr nach, als sie zu dem trostlosen kleinen Haus zurückging.
Unvermittelt drehte sie sich noch einmal um, warf ihm dieses verwirrende Lächeln zu und sagte: »Ach ja, und vergessen Sie nicht, Ihren kleinen Freund mitzubringen.«
8
Die dreiWeissmann-Frauen saßen zusammen in dem kleinenWohnzimmer und tranken ihren abendlichen Cocktail, ein heiliges Ritual aus den Zeiten, als Joseph noch unter ihnen weilte.
»Schaut euch dieses Schätzchen hier an«, sagte Betty stolz und hielt eine überdimensionaleWodkaflasche hoch. »Für mittellose Witwen ist dieser Supermarkt das Paradies.«
»Du hast über tausend Dollar dort ausgegeben«, bemerkte Annie. Sie blickten alle auf den jüngst eingebauten abzugfreien Gaskamin, in dem ein munteres Feuer loderte.
»Die Kamindamen fehlen mir«, sagte Miranda.
» Wir sind jetzt die Kamindamen«, erwiderte Betty mit einem tapferen Lächeln, das sie an diesem Morgen im Spiegel entdeckt und zu kultivieren beschlossen hatte.
Annie stand auf, um den Tisch zu decken.
»Vergiss nicht, ein Gedeck mehr«, sagte Miranda. »Und zwei Plätze.«
»Die Jungs!«, sagte Betty, als seien Kit und Henry Annies Söhne. »Ich habe Eis gekauft.«
Es fiel Betty schwer, Kit nicht als Jungen zu betrachten. Er war zwar sichtlich ein guterVater, herzlich, liebevoll und aufmerksam, der auch eine ruhige Entschiedenheit an denTag legen konnte, wenn Henry sich schlecht benahm. Eigentlich war Kit so geduldig wie ein Heiliger – oder ein Babysitter, dachte Betty bei sich. Sie fand seine Entspanntheit und R uhe sehr angenehm, aber war es wirklich normal, dass ein erwachsener Mann mit einem kleinen Kind so gelassen bleiben konnte? Betty erinnerte sich an die Zeit nach ihrer Hochzeit mit Joseph. Annie war damals kaum älter als Henry heute. Joseph hatte nicht viel Zeit mit den Mädchen verbracht.Tagsüber war er im Büro, und wenn er nach Hause kam, konnte er nicht abschalten. Er wollte vorsorgen für seine Familie, erzählte er ihr, wenn sie abends umschlungen im Bett lagen und an all die schönen Dinge dachten, die ihnen die Zukunft bringen würde. Tja, dachte Betty, nun sind wir in der Zukunft –und was hatten sie von Josephs Plänen und Sorgen gehabt? Vielleicht war Kits Umgang mit seinem Kind wirklich besser. Der Junge war sein Freund, sein Begleiter, sein kleiner Kumpel, und Kit hatte immer Zeit für ihn, außer an denTagen, an denen er zu einemVorsprechen in die Stadt fuhr. Kit war Schauspieler, offenbar ohne Engagement, aber er schien dennoch genug Geld zu haben, denn er führte Miranda in kostspielige R estaurants aus und brachte teurenWein mit, wenn er bei ihnen zum Essen eingeladen war. Vielleicht war Kits Art wirklich besser, sagte Betty sich erneut.Trotzdem wollte es ihr nicht gelingen, Kit als Erwachsenen zu akzeptieren. Er war so extrem jungenhaft, als sei er von Beruf nicht Schauspieler, sondern Junge, und es kam ihr vor, als sei er von Henry gezeugt worden und nicht umgekehrt.
Morgens hatte Kit Miranda zum Segeln abgeholt. Sie hatte kaum Erfahrung damit gehabt, bis Kit sie im letzten Monat fast jeden Tag auf das Boot seiner Tante Charlotte mitgenommen hatte. Normalerweise bevorzugte Miranda Sportarten, bei denen man sich viel bewegen konnte, wie Tennis, Skifahren oder zur Not auch Golf. Doch wenn sie auf dem Boot neben Kit saß und das warme Herbstlicht seine
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