Die drei Frauen von Westport
Erweckungsgottesdienst. Und höchst amüsiert ob der Vision eines Gottes, der fantasievoll genug war, ihr einen Adonis zu ihrer R ettung zu senden, sank Miranda begeistert in die Arme ihres jugendlichen Helden.
Eine Stunde später hielten sie auf der unbefestigten Zufahrt neben dem Cottage, das im R egen noch erbärmlicher aussah und an einen Kohlkopf erinnerte, der im Winter auf dem Feld vergessen wurde. Betty hörte das Schmatzen der Räder auf dem nassen Boden, lief zum Fenster und erblickte draußen einen schmucken weißen MINI Cooper. Auf dem Beifahrersitz sah sie das strahlende Gesicht ihrer jüngerenTochter. Und auf dem Dach des Autos befand sich, mit Gummiseilen gesichert, das rote Kajak. Etwas war passiert!
Betty rannte zur Tür und sah, wie ein äußerst attraktiver junger Mann mit ihrerTochter durch denVorgarten sprintete. Beide trugen Hosen, auf denen Meerestiere abgebildet waren – blaueWale auf seiner gelben Hose, rosa Hummer auf ihrer zu weiten ziegelroten Hose –, und pastellgrüne Pullover. Seit wann kaufte Miranda so sonderbare Sachen? Betty stellte sich vor, dass die beiden sich irgendwo gesehen und als verwandte Seelen erkannt hatten, worauf sie eine Unterhaltung über angesagte Upperclass-Klamotten begonnen hatten.Was für ein hübscher Bursche das war.
»Das ist Kit«, erklärte Miranda, als sie im Haus waren und sich geschüttelt hatten wie zwei große bunte Hunde. »Ich bin fast ertrunken mit dem Ding.« Sie wies auf das kleine Auto mit dem Kajak auf dem Dach. »Kit hat mich aus demWasser gezogen und mich ins Bootshaus seinerTante gebracht. Er ist zu Besuch bei ihr und wohnt in dem Bootshaus. Es ist absolut entzückend. Er hat geangelt und dabei gesehen, wie ich gekentert bin …« Sie riss die Augen auf, breitete dramatisch die Arme aus und sagte atemlos: »Kit Maybank hat mir das Leben gerettet!«
»Wie reizend von ihm«, hörte sich Betty sagen, während ihr dämmerte, dass die albernen Kleider dem hübschen Burschen gehörten. Dann wurde ihr schockartig klar, dass nicht nur etwas passiert war, sondern dass Miranda auch in großer Gefahr geschwebt hatte. Betty hörte plötzlich nicht mehr Mirandas R edeschwall, sondern ihren eigenen Herzschlag, der in ihren Ohren hämmerte. Sie verstand nur noch, dass Miranda in Lebensgefahr gewesen, aber gerettet worden war. Dann merkte sie, wie sie ihreTochter umarmte, ihre nassen kaltenWangen an den Lippen spürte. Als Nächstes hielt sie Kit in den Armen, den hübschen jungen Mann mit den kleinenWalen auf der Hose. Danach nahm sie am Rande wahr, wie sie nach oben rannte, um Handtücher aus dem Wäscheschrank zu holen, dass sie denWasserkessel aufsetzte, dass sie Brandy in ein Glas goss und dabei etwas auf den Boden verschüttete. Dabei horchte sie unentwegt auf das Pochen in ihren Ohren und hatte das Gefühl, weit entfernt und unsichtbar und schwerelos zu sein. Auf diese Art schwerelos und unsichtbar und leer zu sein hatte sie zum letzten Mal erlebt, als die Mädchen noch klein gewesen und im Kaufhaus plötzlich verschwunden waren. Betty hatte sich kopflos im Kreis gedreht, als müssten sie bei der nächsten Drehung wieder auftauchen. Joseph hatte sie dann schließlich gefunden, vor einer Vitrine, in der kleine mundgeblasene Glastiere standen – Giraffen und Dackel, ein Hahn und ein Schwein in künstlichen verlaufenden Farben. Jetzt merkte Betty, dass sie mit einem Papiertuch den verschütteten Brandy aufwischte. Sie dachte an Joseph und das Whiskyglas, das sie nach ihm geworfen hatte. Aber Joseph war in diesem Moment nicht wichtig. Nur eines war wichtig: IhreTochter war in Gefahr gewesen – und sie war gerettet worden.
Als Annie nach Hause kam, ihre Schwester im Nachthemd unter einer Decke auf der Couch vorfand und die ganze Geschichte hörte, war sie versucht, Miranda eine Standpauke zu halten. Schließlich hatte man Miranda darauf hingewiesen, dass sie zuerst Unterricht nehmen sollte. Und gestern Abend noch hatte Annie berichtet, dass der Sound in letzter Zeit ungewöhnlich wild war. »Warnung für kleinere Schiffe und Boote«, sagte sie. »Und dein Boot ist winzig.« Doch als Annie ihre Schwester nun da sitzen sah, kläglich und verletzlich, in geblümtem Nachthemd und gestreiften Socken, brachte Annie es nicht übers Herz, etwas zu sagen, das Miranda wehtun könnte. Stattdessen setzte sie sich zu ihr und breitete die Arme aus. Und Miranda kuschelte sich an sie wie ein kleines Mädchen.
»Das klingt ja alles sehr dramatisch«, sagte
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