Die drei Frauen von Westport
gestrichen: einWohnzimmer mit zwei edlen Gartenstühlen aus Holz, einem Flickenteppich, einem kleinen Herd mit zwei Kochplatten und einem Mini-Kühlschrank; ein kleines Schlafzimmer mit einer Kommode aus Ahornholz und einem Messingbett, das aus einer Zeit stammte, als die Leute offenbar noch kleiner und dünner waren, und eine Art Kammer mit einem schnörkligen altmodischen Kinderbett. »Aber sie scheint mir eher als Unterkunft für Hobbits geeignet.«
»Oder für Henry.«
»Aber auch Henry sollte Fliegengitter haben. Packst du ihn nachts unter ein Moskitonetz? Hast du einenVentilator? Heizung? Das Haus ist doch nicht winterfest, oder? Ich hoffe, ihr habt wenigstens warmesWasser. Habt ihr doch, oder?«
Kit lachte und nickte.
»Aber im Ernst, würdet ihr beide euch nicht in dem großen Anwesen wohler fühlen? … Manderlay «, fügte sie in dramatischem Filmtonfall hinzu und fragte sich gleichzeitig beunruhigt, ob sie Kit mit dieser Frage irgendwie zu nahe getreten war.
»Glaub mir, nichts wäreTante Charlotte lieber, und ich liebe sie wirklich von Herzen und freue mich, dass ich ihr eineWeile zur Hand gehen kann, bevor Henry und ich nach New York zurückgehen – aber mit ihr zusammenleben? Unter einem Dach? Nein, schönen Dank auch. Und keine Sorge, meine fürsorgliche Hausfrau. Wir haben nicht nurWarmwasser, sondern auch eine Heizung, stimmt’s, Henry?«
Abends berichtete Miranda ihrer Mutter und ihrer Schwester von dieser Unterhaltung.
»Was, keine Fliegengitter? Ach du lieber Schreck«, sagte Betty.
Miranda stellte sichTante Charlotte etwa so vor wie Big Edie aus dem Onassis-Clan in ihrem Anwesen Grey Gardens.
»Ich neige eher zu der Dickens’schenVariante von Miss Havisham«, meinte Annie.
Doch beide erhielten keine Gelegenheit, ihre Einschätzung zu überprüfen, denn nicht einmal Miranda wollte einVorwand einfallen, um die zurückgezogen lebende Miss Maybank aufzusuchen, und Kit machte keinerlei Anstalten, die alte Dame vorzustellen.
Wenn Kit in die Stadt fahren musste, ließ er Henry bei Miranda.
»Lass dich aber nicht ausnutzen von deinem Freund«, kommentierte Betty dieses Geschehen; sie hatte gerade eineTalkshow gesehen, in der es um Großmütter ging, denen die Kleinkinder ihrer unreifen, jungen Eltern aufs Auge gedrückt wurden. Freilich war sie nicht Henrys Großmutter, und sie hatte den kleinen Burschen wirklich gern, aber von den vielen Therapeuten, die tagsüber auf den Couchen der Fernsehsender hockten und gute Ratschläge gaben, hatte sie jedenfalls eines gelernt: Man musste Grenzen setzen. Sie hatte ihr Leben lang geglaubt, Grenzen müssten überschritten werden, aber sie hatte sich offenbar geirrt.
Miranda lachte. »Nein, nein«, erwiderte sie. »Das ist genau die richtige Medizin.«
Und dieTage, die Miranda am Strand damit zubrachte, Muscheln und Stöckchen zu suchen, brüchigeTunnel und schiefe Hügel aus Sand zu bauen, schienen ihr wahrhaft gutzutun. Ihr Leben in der Stadt, ihre Affären, sogar ihre Arbeit verloren an Wichtigkeit. Dann und wann wurde sie vom Schmerz über ihr Scheitern gepackt und gepeinigt, doch es geschah zusehends seltener und war von Mal zu Mal weniger heftig.Wenn sie morgens aufwachte, sprang sie schwungvoll aus dem Bett und wusch sich mit der Lavendelseife, von der Henry meinte, sie röche nachTee. Henry und sie hielten gepflegte Nachmittagstees wie in Mirandas Kindheit, nur ohne die Kamindamen; die waren zwar eingeladen, erzählte Miranda Henry, konnten jedoch nicht kommen, weil sie anderweitigeVerpflichtungen hatten. Miranda berichtete ihm alles über die Kamindamen, und Henry nickte wissend und verschüttete beim Eingießen seinenTee, der eigentlich Apfelsaft war. Dann beobachtete er eingehend, wie sich die Flüssigkeit am Boden ausbreitete.Wenn Miranda ihm ein Schaumbad einließ, nahm er seineTassen und Schalen mit ins Bad und spielte nach, wie MirandaTee kochte – was sie so anrührend fand, dass sie über sich selbst erstaunt war.
Manchmal setzte sie Henry auf die Salutkanonen am Strand und hörte ihm einfach nur zu. Er erzählte gerne lange Geschichten über einenWolf namens Higbee.
»Und dann?«, fragte Miranda immer wieder, aber sie hörte gar nicht richtig zu, sondern schloss die Augen, hielt das Gesicht in die matte Herbstsonne und den beißenden Wind, während sie Henry um dieTaille fasste und sein Bein auf ihrer Schulter ruhte. Der Genuss, nicht zuzuhören – wieso hatte sie sich das nicht schon früher gegönnt? Henrys Stimme war wie
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