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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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Sie war seit jeher ein Emotionsbündel. Sie kannte sich aus mit der Liebe. Deshalb unternahm Josie einenVersuch bei seiner anderenTochter, bei Miranda: »Es ist einfach nicht zu ändern, Schatz. Ich kann nicht dagegen an. Aber das heißt nicht, dass ich euch beide deshalb nicht liebe.« Er lächelte verschwörerisch. »Alles wird gut.« Das war Mirandas Spruch, ihr Mantra.
    »Glaubst du das wirklich?«, sagte Miranda.
    Und schob geräuschvoll ihren Stuhl zurück, als sie aufstand.
    Der Zorn von Frauen, dachte er. Offenbar hatte nicht nur die Kälte, sondern auch die Hitze einen Nachteil. Sie sollten sich zum Teufel scheren. Er beobachtete Mirandas Serviette, die zu Boden segelte wie eine schneeweiße Möwe. Er hörte das Scharren von Annies Stuhl. Er hörte die Schritte seiner Töchter. Die Hand eines Kellners griff nach der Serviette und hob sie auf. Als Joseph aufblickte, waren seine Töchter verschwunden.
    Nicht lange nach dem Katastrophenessen mit Joseph überraschte Betty ihre Töchter am Frühstückstisch mit der Nachricht, dass sie amVorabend ein Angebot von Josephs Anwalt bekommen habe.
    »Du meinst, unserTreffen mit Josie war zu irgendwas gut?«, fragte Miranda. »Wusste ich’s doch!«
    »Dem Himmel sei Dank«, äußerte Annie. »Wurde auch Zeit, dass er in die Gänge kommt.«
    »Ja«, sagte Betty. »Ich kann es aber keinesfalls annehmen.« Sie schüttelte betrübt den Kopf. »So großzügig Joseph auch sein mag … Nun ja, er hat einen Ausgleich von dreihunderttausend Dollar angeboten.«
    »Das kann nicht wahr sein«, sagte Annie.
    »Über zehn Jahre.«
    »Das ist nicht sein Ernst, oder?«, sagte Miranda. Dann überlegte sie und fügte hinzu: »Du hast natürlich auch noch dieWohnung.Vermutlich meint er das so. Die könntest du sicher für was, vielleicht drei Millionen verkaufen? Sogar in der gegenwärtigen Marktlage. Davon könntest du gut leben. Nicht so, wie du es gewohnt bist, aber …«
    »O nein, Schatz, die dreihunderttausend Dollar imVerlauf von zehn Jahren wären seine Zahlung für meinen Anteil an derWohnung. Das ist wohl schon ein anständiger Ausgleich für die fünftausend Dollar, die ich damals investiert habe, obwohl das natürlich fünfzig Jahre her ist. Das kann man sicher irgendwie vertreten. Aber ich möchte einfach nicht, dass Joseph dort mit dieser Frau lebt.«
    Annie und Miranda waren wie vor den Kopf geschlagen.
    »Diese Frau?«, wiederholte Miranda nach einem langen unbehaglichen Schweigen. »Was für eine Frau?«
    »Vivacity?« Betty überlegte angestrengt. »So ähnlich. Josephs junge Frau in mittleren Jahren. Capacity! Das war’s.«
    Miranda und Annie bekamen nie heraus, wie ihre Mutter von Felicity erfahren hatte. Betty sprach nicht darüber. Sie hatte ihren Standpunkt vorgetragen und ihre Entscheidung getroffen, und wie sie von der Rivalin erfahren hatte, musste nicht mehr erörtert werden. Es war ein furchtbarer Schock für sie gewesen, als sie Joseph am Abend zuvor zuhause angerufen hatte und die Stimme der Frau gehört hatte, die in seinem Büro arbeitete. Betty hatte die Stimme auf Anhieb erkannt – sie war ziemlich markant, hell und kraftvoll mit einem leichten Bostoner Akzent. Das Gesicht der Frau tauchte vor Bettys innerem Auge auf – ein blasses, herzförmiges Gesicht mit scharfen, aber gefälligen Zügen und diesen riesigen beunruhigenden blauen Kulleraugen. Betty hörte dieVerunsicherung der Frau, als sie ihrerseits die Stimme am anderen Ende erkannte. Und Betty wurde schlagartig bewusst, dass sie es gewusst hatte. Dass sie es schon die ganze Zeit gewusst hatte.
    »Ist Joseph zuhause?«, fragte sie.
    »Joe!«, rief die Frau.
    Joe. Es war, als hätte Joseph nicht nur eine Hälfte seines Namens abgetrennt, sondern eine Hälfte seines Lebens. Ihre Hälfte.
    »Betty!«, sagte er. »Das ist ja eine Überraschung.«
    »Ich lass mich nicht darauf ein, Josie«, sagte sie. Sie benutzte absichtlich den Kosenamen der Mädchen für ihn.
    »Worauf?«, fragte er.
    Aber sie wusste, dass er sie sehr wohl verstanden hatte.
    »Das Leben ist kein Picknick«, sagte sie. »Damit hattest du wirklich R echt.« Und legte auf.

12
    In den folgendenWochen schien es, als seien die Lebensgeister der drei Frauen ebenso verwelkt wie die Blätter der Bäume. Es regnete tagaus, tagein, und das Cottage wirkte nun so eng und muffig und verwahrlost, wie es tatsächlich war. Miranda zwang sich zu nutzlosen Anrufen und nutzlosen Briefen, um sich bei Menschen in der Buchwelt in Erinnerung zu

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