Die drei Frauen von Westport
bringen, die Miranda lieber ein für alle Mal vergessen hätten. Annie ergab sich ihrem monotonenTagesablauf und hegte insgeheim die Befürchtung, dass sich an diesem festgefahrenen und sinnentleertenTrott in ihrem ganzen Leben nichts mehr ändern würde. Betty versuchte, die beiden aufzumuntern, indem sie erklärte, es handle sich lediglich um Hüttenkoller, worunter auch schon die Pioniere im WildenWesten gelitten hätten. Doch sie kam nicht umhin einzuräumen, dass dieTage endlos und dieWeissmann-Frauen alles andere als langmütig waren. Sie bestellte sich einen dreieckigen Schwamm an einem Stiel, den sie in einer Fernsehwerbung gesehen hatte, und strich damit die Wände in ihrem Schlafzimmer in einem ebenso modischen wie morbiden Grauton.
Zu dieser Zeit, als dasWetter schmuddelig und der Himmel bleiern und trostlos war, brachen Cousin Lou und R osalyn wie jedes Jahr nach Palm Springs auf und nahmen den grantigen Mr. Shpuntov mit. Betty und ihre Töchter standen mit Schirmen im Nieselregen, als die Cousin Lous – wie jedermann diese Familie nannte – mitsamt einer Unzahl von Koffern in den Cadillac Escalade stiegen, um sich ins warme, sonnige Kalifornien zu begeben, wo Lou und R osalyn ein Haus an einem Golfplatz besaßen.
»Die Wüste verlangt nach uns«, sagte R osalyn aus dem Fenster zu ihren Cousinen, die unter ihren R egenschirmen auf der Zufahrt standen, und warf den drei Frauen mit großer Geste eine Kusshand zu. »Wir müssen dem R uf der Sonne folgen!«
»In anderenWorten: Tschüss, ihr Dödel!«, schrie Cousin Lou.
Mr. Shpuntov sagte mit ungewohnt schriller Stimme: »Was ist los?Was ist denn hier los?« Er saß vorne neben dem betagten Chauffeur, einem pensionierten Polizisten, der denWagen zurückfahren und sicher in der Garage einschließen würde. Die Hand des pensionierten Polizisten zitterte, als er den R ückspiegel zurechtrückte, und Annie fragte sich, ob Mr. Shpuntov nicht ein verlässlicherer Chauffeur gewesen wäre.
»Ihr müsst uns mal besuchen kommen«, sagte Lou.
»Unser Haus dort ist natürlich viel kleiner«, fügte R osalyn rasch hinzu.
»Aber für die Familie ist immer Platz«, ergänzte Lou. Dann fuhr derWagen an.
Die Cousin Lous wollten bis April in Kalifornien bleiben. Annie stellte erstaunt fest, dass sie ihr fehlten. Die Festivitäten bei den beiden waren zwar zugegebenermaßen immer etwas langweilig. Und nach einem langen Arbeitstag und der anstrengenden Heimfahrt stand Annie wahrhaftig nicht der Sinn nach Konversation. Dann freute sie sich immer darauf, in ihren Schlafanzug zu schlüpfen und sich Castingshows wie American Idol oder Project Runway oder die Serie über die kleinwüchsige Familie anzuschauen. Annie war noch nie ein geselliger Mensch gewesen, und im Laufe der Jahre hatte sie sich daran gewöhnt, ihre Abende im Alleingang zu gestalten. Aber sie hatte sich auch erstaunlich schnell an die Feste bei Lou und R osalyn gewöhnt. Jetzt waren ihreVerwandten vorerst verschwunden, und die Abende im Cottage gerieten zäh und unangenehm. Einmal dieWoche traf sich Annie abends in der Stadt mit Freunden zum Essen, aber sie wollte Betty und Miranda auch nicht zu häufig alleinelassen. Ihre Mutter und ihre Schwester kamen ihr beide so verletzlich, so schutzlos und aller Freude beraubt vor wie zwei graue brüchige Zweige, an denen die kalten Winterwinde zerrten.
In New York legte Joseph indessen morgens seinenWeg von derWohnung zum Büro und abends vom Büro zurWohnung zu Fuß zurück, wie er es immer getan hatte. Doch nun leistete ihm Felicity dabei Gesellschaft. Sie war eine so energiegeladene Frau, atmete die kalte Winterluft ein und stieß sie wieder aus wie einVollblüter, der es kaum erwarten kann, beim R ennen loszustürmen. Joseph fand es schon aufregend, nur neben ihr im Aufzug zu stehen. Sein Alltag war kein Alltag mehr.Wenn der Fahrstuhlführer ihn wie schon seit Jahrzehnten von derWohnung abholte, dann war auch diese kraftvolle Blondine mit von der Partie. Guten Morgen, Mr.Weissmann, sagte der Fahrstuhlführer – wie er es immer getan hatte. Aber jetzt war alles anders. Alles war neu. Guten Morgen, Miss Barrow, fügte der Fahrstuhlführer hinzu.
Felicity war einige Wochen vor Bettys Anruf offiziell in die Wohnung am Central Park eingezogen. Bei ihrer ersten Begehung der Räume fiel ihr auf, dass sowohl die Couch aus dem Studierzimmer als auch Stühle und Couchtisch aus dem Wohnzimmer verschwunden waren, und sie sagte: »Ich hoffe, diese ganzen Möbel
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