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Die drei Frauen von Westport

Titel: Die drei Frauen von Westport Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cathleen Schine
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unschuldigen Schlingels auf, die viele Frauen bei ihm so unwiderstehlich fanden.
    »Ja doch«, sagte Felicity. »Ich habe gerade gesagt, dass du das Haus liebst, oder nicht?«
    »Doch.«
    »Und ich will dieses Haus nicht.«
    Er seufzte und sagte: »Felicity, heute ist die Beerdigung. Kann das nicht warten …«
    »Zahl mich aus«, sagte sie. »Es ist ganz einfach. Du zahlst mich einfach aus.«
    Frederick zahlte ihr einen anständigen Preis – jedenfalls dachte sie das zu diesem Zeitpunkt. Felicity legte das Geld sofort in Aktien an und machte einen ganz hübschen Gewinn damit. Doch als sie die Sache nach einiger Zeit noch einmal durchdachte, kam sie ihr alles andere als gerecht vor. Zwar nicht direkt unreell, aber … Das Haus war nämlich im Laufe der Jahre weitaus mehr imWert gestiegen als ihre Aktien.Wenn Frederick es jetzt verkaufen würde, könnte er einVermögen damit verdienen. Und einTeil diesesVermögens gehörte doch dann eigentlich rechtmäßig – wenn auch nicht von R echts wegen – ihr, nicht wahr?
    »Tja, du hast jedenfalls abgesahnt«, konnte man sie des Öfteren zu Frederick sagen hören.
    »Tja, er hat jedenfalls abgesahnt«, sagte sie zu Joseph, als sie sich im Gästezimmer – dem ehemaligen Schlafzimmer ihrer Eltern – einrichteten.
    Die ganze Familie war zuWeihnachten im Haus versammelt. Gwen, ihr Mann R on und die Zwillinge waren in angrenzenden Zimmern im zweiten Stock untergebracht. Evan schlief gegenüber in dem kleineren Zimmer neben Felicity und Joseph. Fredericks Zimmer befand sich im Erdgeschoss. Er hatte schon lange den hinteren und den vorderenWohnraum für seine Zwecke umgestaltet – in dem vorderen Zimmer mit dem Erkerfenster arbeitete er, im hinteren schlief er. In diesem Zimmer stand er amWeihnachtstag am Fenster und blickte hinaus in das triste Winterlicht des frühen Morgens.
    Felicity lag unterdessen mit gerunzelter Stirn im Bett und schaute ebenfalls zum Fenster hinaus.
    »Joe«, sagte sie.
    Joseph gab ein prustendes Schnarchen von sich, gefolgt von einer R eihe flüssiger Blasen.
    »Joe«, wiederholte Felicity. Sie wandte sich Joe zu und rüttelte ihn zunächst sachte, dann aber zunehmend heftiger an der Schulter.
    »’tschuldige«, murmelte er. Das Schnarchen ebbte einen Moment ab, schwoll dann jedoch zu unverminderter Stärke an.
    Felicity stand auf und hasste das Haus dabei ebenso nachhaltig, wie als sie zu Bett gegangen war. Die winzigen Zimmer, das Meeresdröhnen – es war, als sei man lebendig begraben, als sei man gezwungen, hilflos hier zu vermodern und dabei diesem überheblichen, unsterblichen Rauschen zu lauschen. Und nun auch noch das Geschnarche. Lebendig begraben mit dem Ozean und einem Schnarcher. Felicity schlüpfte in Bademantel und Pantoffeln. Nicht mal richtig heizen konnte man dieses Haus. Und dennoch war es einVermögen wert! Sie stieg die knarrendeTreppe hinunter.
    Frederick hörte sie. Ihr Schritt war unverkennbar – schnell und scharf. Er empfing sie am Fuß derTreppe.
    »Kaffee?«, fragte er.
    »Du bist ja furchtbar früh auf.« Sie zog eine Augenbraue hoch angesichts seiner abgetragenen Cordhose und des von Motten angeknabberten Pullovers. Ihr Bruder war wirklich schrecklich manieriert.
    »Ich weiß nicht, ob ich überhaupt im Bett war.«
    »Schlechtes Gewissen?«
    Zu Felicitys Erstaunen schien ihr Bruder tatsächlich zusammenzuzucken.
    »Was?«, erwiderte er streng. »Was meinst du damit?«
    Felicity lachte. »Keine Ahnung, Frederick.Was habe ich damit gemeint? Irgendwas wird’s wohl gewesen sein, sonst würdest du nicht aussehen wie ein Köter, der auf der Müllkippe geschlafen hat.Warst du auf der Müllkippe?«
    Frederick erwog, ein Geständnis abzulegen. Ja, ich war auf der Müllkippe. Ich habe überall meinen Abfall verstreut, und nun muss ich damit leben, mit großen stinkenden Abfallhaufen, irreversiblen Abfällen, die ich voll und ganz verdient habe und mit denen ich mich wie Hiob klaglos arrangieren würde, wäre da nicht ein unschuldigesWesen, eine winzige bedauernswerte Seele, die in absehbarer Zeit in eine Familie hineingeboren wird, die keine ist, der Herr möge mir vergeben.
    »Kaffee?«, fragte er.
    Sie saßen in der Küche, und der Dampf von ihren Kaffeebechern verwehte im blässlich weißen Morgenlicht.
    »Joe scheint ein netter Kerl zu sein«, bemerkte Frederick. Eine nichts sagende Bemerkung, wie sie von ihm zu erwarten war. Aber Joe kam Frederick tatsächlich wie ein netter Kerl vor. Annie hatte sich nie über die

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