Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
Vom Netzwerk:
akustische Bestätigung, denn die Geräusche, die durch die Decke nach unten drangen, ließen keine andere Deutung zu, als daß dort in eiligem Aufbruch Schubläden ausgeräumt, Schränke geleert und Koffer gepackt wurden.
    Lydia strich unruhig um Kathi und um den Küchentisch herum, auf dem Hackbrett und Tranchiermesser schon zum Abteilen der Koteletts bereit lagen. »I hätt so gar koan Gusto auf Fisch«, druckste sie hervor und rümpfte die Nase, als würde ihr schon beim Geruch des Kabeljaus übel.
    »Ja, Forellen, wann’s wären!« seufzte auch Britta auf.
    »Es ist aber Dorsch!« stellte Lydia rauh fest und warf Kathi einen vorwurfsvollen Blick zu, der zu sagen schien: da hat man’s wieder, Undank ist der Welt Lohn...
    Kathi kratzte sich die Wange: »Mei’ Kinder, mir graust’s ja selber davor, aber ich kann doch dees Trumm Fisch net in die Aschentonne schmeißen...«
    »Dees grad net«, meinte Britta, »aber zerpflücken könnt man’s und einen Fischsalat draus machen, wie ihn der Konni so gern ißt, mit a weng Majonnäs und Lachsbröckerln dazwischen, was moanst, Kathi?«
    »Hm, ja, dees gangat scho«, murmelte Kathi halbgeschmolzen, aber noch immer unentschlossen, »das wär was fürs Abendbrot — aber in einer Stund’ soll’s Mittagessen auf dem Tisch stehen, und ich hab’ doch nichts als ein paar Oar im Haus...«
    »Eier...?« Lydias Zungenspitze fuhr lüstern heraus, und Britta preßte beide Hände gegen den Bauch. Kathi sah die aufleuchtenden Gesichter der Mädels, und als käme ihr die Erleuchtung gleichzeitig mit ihnen, rief sie: »Ja, richtig, daß ich nicht gleich drauf gekommen bin — an Spinat kunnt ma machen!«
    »Kathi!« schrien die Kinder entsetzt.
    »Habt’s ihr denn was anderes gmoant?« fragte Kathi scheinheilig, und an ihrem breiten Grinsen begriffen die Kinder, daß sie ihr richtig auf den Leim gegangen waren.
    »Schaumomeletts!« schrien sie entzückt und tanzten um Kathi und um den Tisch herum. Kathi prüfte die Bestände der Speisekammer: »Dann muß eins von euch beim Stangl Puderzucker holen, und das andere muß Schnee schlagen, damit wir fertig werden. Ich hol derweil ‘s Kompott aus dem Keller. Mögt ihr Ananaserdbeeren oder Mirabellen dazu?«
    »Weißt, Kathi«, schnurrte Lydia lüstern, »wo ich zwei Omeletts auf alle Fälle essen tu, moan i scho, du holst beides aus dem Keller.«
    Kathi zog die linke Schulter hoch: »Ich weiß nicht, ob ich das tun derf«, kicherte sie, und in ihren Augen glitzerte es boshaft, »da werdet ihr schon euer Fräulein fragen müssen...« Sie konnte sich diesen kleinen Triumph nicht verkneifen. Aber so war sie nun einmal geschaffen, wen sie haßte, den haßte sie sozusagen übers Grab hinaus. —
    Fräulein Zögling verließ das Haus, ohne daß Hellwang, Kathi oder die Mädels etwas davon bemerkten. Söhnchen war der einzige Zeuge ihres Auszuges. Er stand bei den Johannisbeeren und zupfte, da sein kleiner Bauch schon zum Platzen voll war, nur noch die reifsten und süßesten herunter. Seit geraumer Zeit bedrückte ihn ein Bedürfnis, zu dessen Erledigung jedoch ein Entschluß notwendig war, den er immer wieder hinausschob. Beim Anblick von Fräulein Zögling, die so oft die Helferin in seinen kleinen Nöten gewesen war, begann er plötzlich lebhaft auf der Stelle zu treten, eine aufmunternde Frage erwartend; denn wie die meisten seiner Altersgenossen hatte auch Söhnchen die Eigenschaft, verbotene Dinge sehr selbständig, erwünschte und notwendige aber nur sehr selten freiwillig zu erledigen. Sah das Fräulein ihn denn nicht? Bemerkte sie denn nicht seine hohe Not? Er rief vorwurfsvoll und kläglich an, aber das Fräulein hörte ihn nicht. Das Fräulein rauschte an ihm vorüber. Sie schaute dabei weder nach rechts noch nach links, sie ging so schnell, sie rannte fast, als brenne das Haus hinter ihr. Söhnchen schaute ihr betroffen nach. In seinem Herzen quoll eine heftige Bitterkeit auf. So waren sie, die Großen, kein Mensch kümmerte sich um ihn. Passierte aber etwas, dann hieß es hinterher, er solle sich schämen. Er setzte sich langsam in Trab. Die Not wuchs plötzlich ins Unermeßliche. Hoffentlich war die Haustür nicht zugesperrt. War sie zu, dann konnte er für nichts mehr garantieren. Die Haustür war verschlossen. —
    Bei dem Verhör, dem er nachher unterzogen wurde, wälzte er die Schuld auf Fräulein Zögling ab, daß sie wortlos und, ohne sich um seine dringenden Hilferufe zu kümmern, an ihm vorübergestoben sei. Seine

Weitere Kostenlose Bücher