Die drei Hellwang-Kinder
Zehnmarkschein unterstrichene Gratulation ihrer Tante Beatrice, Luisas jüngerer Schwester, die in Würzburg ihren Röntgen-Facharzt machte. Sie schrieb, daß ihre Assistentenzeit in diesen Tagen ablaufe und daß sie wahrscheinlich noch am Ende dieser Woche zu Brittas Großeltern nach Hamburg fahren werde, um dort die Entscheidung abzuwarten, ob sie die Stellung als Röntgenärztin in einem Lungensanatorium im Taunus bekäme, um die sie sich beworben habe.
In früheren Jahren hatte Trix fast jeden Sommer ein paar Wochen im Haus >Gode Wind< verlebt. Und vor vier Jahren, als Hellwang mit Luisa die Mittelmeerreise nach Tunesien, Libyen, Ägypten und zu den griechischen Inseln machte, wobei sie fast vier Wochen in Rhodos blieben, hatten Trix und Kathi das Haus und die kleinen Mädchen betreut, denn Söhnchen war damals noch nicht auf der Welt, ihn hatte Luisa aus Rhodos mitgebracht. Mit Trix hatte sich Kathi immer glänzend verstanden.
Im Morgengrauen schlich Kathi aus dem Hause. Sie hatte nur einen Mantel übergeworfen und die Zöpfe unter ein Kopftuch gestopft. Das Nachthemd schaute handbreit unter dem Mantelsaum hervor, und über den roten Hausschuhen leuchteten ihre strammen, nackten Waden. Greiffing schlief noch. Die Laternen wurden gerade ausgeschaltet. Kathis Ziel war der Briefkasten am Bahnhof, und der Brief, den sie dort einwarf, damit er ganz gewiß noch den Frühzug nach Würzburg erreiche, lautete folgendermaßen:
»Liebes Fräulein Doktor Trix! Hofe dass dieser Brif Sie noch rechtzeitig in die Fingern kommen tut, denn wen nicht, wüste ich nich was und wäre alles abdraht. Ich bin gesund, die Kinder auch, habe sie näulich beim Kartoffelhändler auf die Waage gestellt, wiegen alle miteinand 87, 39, 30, 21 Kielo. Hofe von Ihnen ein gleiches. Leider ist hier aber nicht ales so wie es sein solte. Das ist nähmlich der Herr Doktor, der wo mir grose Sorgen macht, sodass ich die Feder ergreife Ihnen zu schreiben was hier forgeht. Entschuldigen höfl. den Glecks, ist nich von Dinte, sondern eine Trehne, wo soeben auf den Schreibpapier getropft ist. Aus meinen Augen. Ja, soweit ist es. Und kurz for Morgengrauen, damit ich den Brif nachher gleich in den Postkasten einwerfen tu und er noch mitgeht nach Würzburg hinauf, denn es ist gans wichtich und eilt. Nähmlich der Herr Doktor Hellwang gefallt mir gar-nicht. Ich glaub es ist alles nuhr das ihm die Ansprach fehlt, was er nödig hat, als geistliger Arbeiter sozusagen. Und da dacht ich mir wenn Sie kähmen! Ist ein starker Mann in den besten Jaren, hätte nie glaubt, daß ihn der Tot von sel. Frau so reissen würde. Hat ihn aber grausam zammgepackt und fürcht ich wird immer schlimer. Arbeiten tut er nichts außer fünf zailen for zwei Monaten, wo schon ausgestriechen sind und wo er in einem Fort draufstieren tut. Dafür aber um so mehr Konjack und Ruhm. Kann man schrieftlich nicht so teutlich sagen, hofe, das Sie schon verstehen, wenn ich andeute, dass er saufft. Aber aus Kummer, weil nichts weitergeht, und is zammgerutscht, daß es warraft krass ist, wie ein Rornudl, wo man vergessen hat Häwe dran zu tun, wo er früher doch ein Mannsbild war, dass sich die Weiber nach ihm umidraht haben. Heut glaub ich keine mehr, auch nicht das Fräulein Zögling, die wo wir exbediert haben. Muß ich Ihnen ahles späder erzälen. Haben ihr farplosen Lack ins Haarwasser gegossen, nicht ich, sontem die Kinder. Muss noch immer lachen, wenn ich an die Zoddeln denken tu und wie sie Zedermordio geschrien hat, weil sie denkt hat es wär Seure, auch jetzt wo meine Treh-nen den Bapier nätzen. War aber doch fileicht ein Fehler, das wir sie ausm Dempel gegraust haben, denn seidem ist es mit dem Herrn Dr. ganz zudraht, weil er eben eine Ansprach braucht, und gebildet war sie, muss ich selm zugeben, sprach enklisch und fras-seh, aber sonst so eine aussen Sammt innen Kralen. Ein Luder! Entschuldigen höfl! War sie aber! Werde Ihnen alls müntlich erzein. Liebes Fräulein Dr. Trix, ersehe aus ihrem Brif an Britta, das Sie ein paar Wochen Fakanz haben und bitte Sie dringend, doch nicht heimzufahren auf Hamburg sontern hirher zu uns. Ich weis nicht mehr aus noch ein, wie man dem Herrn Dr. helfen soll, aber Sie wissen fileicht. Denn for mir schämt er sich nicht, wenn ich ihn premmsen tu sontern brüllt mich hökstens an was mir einfallt. Hat aber vor Ihnen grose Achtung und Reschbekt. Sie können ihm auch was erzehlen und ins Gwissen reden, was ich nicht kan, er möchte mir sonst kündigen,
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