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Die drei Hellwang-Kinder

Die drei Hellwang-Kinder

Titel: Die drei Hellwang-Kinder
Autoren: Horst Biernath
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immer wie ein Hirtenmädchen aus oder wie eine Jägerin, die vom Laufen erhitzt und von Ästen zerzaust von der Pirsch heimkehrend gerade Zeit gefunden hatte, das Jagdgewand mit einem städtischen Kleide zu vertauschen.
    Fremde behaupteten oft, zwischen Luisa und Trix beständen große Ähnlichkeiten. Es waren Leute, die nach Hellwangs Meinung Trix oder Luisa nur sehr oberflächlich gekannt hatten. Er konnte zwischen ihnen überhaupt keine Ähnlichkeit entdecken. Selbstverständlich hatten sie beide das gleiche, ungewöhnlich dichte Haar, das die Farbe reifer Haselnüsse besaß und im Sonnenlicht kupfern reflektierte. Und sie hatten auch außerordentlich ähnliche Stimmen, die Bendigsche Familienstimme sozusagen. Aber sonst, im Gesichtsschnitt, in der Haltung und im Wesen unterschieden sie sich wie Artemis von Athene. Auch dieser Vergleich stammte von Hellwang.
    Trix sah ihn durch die Drehtür eintreten und erhob sich von ihrem Stuhl, um ihm zuzuwinken. Sie war auf diese erste Begegnung nach Kathis Brief fast ängstlich gespannt und nun, da sie ihn erblickte, erleichtert oder sogar enttäuscht, ihn genauso wiederzufinden, wie sie ihn in der Erinnerung behalten hatte. Er wirbelte das Kettchen mit den Wagenschlüsseln um den Zeigefinger und sah sich suchend nach ihr um. Sein Gesicht war noch immer sonnengebräunt. Vielleicht erschien er ihr ein wenig magerer als früher, die Backenknochen traten schärfer hervor. Sie ging ihm entgegen: »Hallo, Konrad — da bin ich.«
    Er reichte ihr die Hand und folgte ihr zu ihrem Tisch.
    »Komm, setz dich noch für einen Augenblick zu mir, bis ich meinen Kaffee getrunken habe. Ich habe ihn wirklich nötig.«
    Er warf seinen dunkelgrünen Hut mit dem kleinen Eichelhäherstoß auf einen freien Stuhl und nahm Platz. Trix bemerkte, daß sein Haar seit geraumer Zeit mit keiner Schere in Berührung gekommen war. Es lockte sich über den Ohren und schob sich in kleinen Büscheln über den Kragen. Luisa hatte schon früher mit ihm ihre liebe Not gehabt, ihn zum Friseur zu schicken, wenn er in seine Arbeit vertieft war. Aber sonst? Trix konnte keine Veränderung an ihm entdecken und spürte, wie sie ein leises Gefühl der Unsicherheit überkam. Hatte Kathi in ihrem Brief vielleicht doch ein wenig übertrieben? — Die überstürzte Reise nach München kam ihr plötzlich ziemlich töricht vor. Es war, als sei sie einem Ertrinkenden mit vollen Kleidern im Kopfsprung nachgesetzt, um hinterher festzustellen, daß die Hilferufe nicht aus einem See, sondern aus einer knietiefen Pfütze kamen.
    »Daß du mir gar keine Nachricht geschickt hast, Trix...«
    »Ich sagte dir doch schon, daß mein Entschluß für mich selber überraschend kam, aber die Maler im Haus — ich kann mir weiß Gott was Schöneres vorstellen.«
    Er nickte, sein Blick fiel auf ihr Gepäck: »Alles deines?« fragte er. Es klang merkwürdig. Es klang gerade so, als hätte er gefragt: Ja, zum Teufel, wie lange gedenkst du denn eigentlich in Greiffing zu bleiben?
    »Oh«, sagte sie einigermaßen verschüchtert, »ich komme doch nicht etwa ungelegen?«
    Er schüttelte den Kopf — eigentlich war es weniger ein Schütteln als vielmehr ein Wiegen des Kopfes: »Nein — nein — durchaus nicht, wie kommst du darauf?« Jedoch es steckte ein >Aber< dahinter. Trix spürte es genau und sah ihn fragend an.
    »Nun ja«, murmelte er und hüstelte sich einen Belag von der Kehle, »ich meine, ich werde mich leider um dich nicht allzu viel kümmern können... « Er sah sie dabei nicht an und spielte nervös mit den klirrenden Schlüsseln, »ich stecke nämlich bis über die Ohren in der Arbeit, ja...«
    »Wie? Du schreibst ein neues Buch? Das ist ja großartig! Worum handelt es sich denn dabei?«
    »Ambrosius Dalfinger«, knurrte er.
    Trix sah ihn ein wenig erstaunt an.
    Er starrte auf seinen Daumen und versuchte, ein Stückchen loser Nagelhaut abzureißen: »Sagt dir natürlich nichts?«
    »Nein, wirklich nicht.«
    »Nun, er war der Mann, der im Auftrag des Bartholomäus Welser im Jahre 1528 drei Schiffe ausrüstete, um für die Welser ein Stückchen Venezuelas zu erobern. Aber ich bin noch bei den Vorarbeiten. Es ist ein umfangreicher Stoff, und er wird immer größer, je weiter ich mich hineinknie.«
    »Du kannst unbesorgt sein, Konrad, ich werde dich nicht stören.« Sie sagte es kühl und leicht gereizt, »und außerdem komme ich ja hauptsächlich, um mich ein wenig nach den Kindern umzuschauen.«
    »Bitte, bitte, Trix, versteh mich nicht
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