Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
Vom Netzwerk:
sie zeigte Mützchens Größe –, »er hat einen roten Hut und ganz dünne Arme und Beine. Er ist überhaupt reizend!«
    Peter glaubte es. Peter glaubte alles, was Veronika sagte.
    »Weißt du, Peter«, fuhr Veronika eifrig fort, um den Spielgefährten an allem teilnehmen zu lassen, »Magister Mützchen hat mir viele Schwellen und Stufen gezeigt, die hier im Hause sind. Man kann darüber fallen, wenn man nicht hinguckt. Du mußt sehr aufpassen, Peter, und dich in acht nehmen.«
    Peter versprach es.
    »Magister Mützchen war mit mir zusammen im grünen Zimmer, wo wir noch nie dringewesen sind. Es ist eine graue Tante da, die nett ist. Aber sie hat ein ekliges Bilderbuch, ich möchte es nicht noch einmal sehen. Ich würde es dir sonst zeigen, aber du hast wirklich nichts davon.«
    »Wohnt die graue Tante immer hier?« fragte Peter.
    Jede neue Person war für ihn in gewisser Hinsicht eine Schwierigkeit, bis er mit ihr vertraut geworden war. Das alles ging sehr langsam bei ihm vonstatten.
    »Ja, sie wohnt hier«, sagte Veronika, »ich hatte sie auch noch nicht gesehen. Sie kommt auch nicht zu Tisch. Vielleicht ißt sie gar nichts. Sie sieht so nebelig aus und ist überhaupt ein bißchen komisch. Ich kann dir das nicht so genau sagen.«
    Peter sah hilflos aus. Die Sache war ihm nicht klar.
    »Ich glaube es«, sagte er.
    »Mir scheint, Magister Mützchen ißt auch nichts«, meinte Veronika, »darum hat er so dünne Beine. Es sieht aber hübsch aus. Schade, daß du es nicht sehen kannst. Ob ich auch so dünne Beine bekäme, wenn ich nichts mehr essen würde?« Peter wußte das nicht. Es war dies ein ganz neues Problem für ihn.
    »Wir wollen jetzt mit den Puppen spielen«, rief Veronika, »wir sitzen alle um den Tisch herum, und Mutzeputz und Zottel müssen auch dabei sein.«
    »Ich bedanke mich«, sagte Mutzeputz, »ich will jetzt Ruhe haben und mich auf das Sofa zurückziehen. Ich habe die ganze Zeit deine Puppen beaufsichtigt.«
    »Das ist wahr«, meinte Veronika, »ich kann mir denken, daß es dich angegriffen hat.«
    Es war dies so, daß Peter nicht mehr deutlich begriff, was Mutzeputz sagte. Veronika aber verstand es noch gut, Gedanken zu hören und in Gedanken zu reden. Das war ihr noch übriggeblieben aus dem Garten der Geister.
    Peter und Zottel erklärten sich bereit, alles mitzumachen, was Veronika vorschlug. Magister Mützchen stand dabei und schnitt ungeheuerliche Gesichter. Veronika sah ihm hingerissen zu.
    »Es ist doch zu schade, Peter«, sagte sie, »daß du nicht sehen kannst, was für herrliche Fratzen Magister Mützchen machen kann. Es ist einfach wundervoll. Ich kenne keinen, der das so gut versteht. Aber wir sollten einmal Rechnen spielen. Magister Mützchen kann uns die Aufgaben geben, und wir wollen sehen, wer sie zuerst herauskriegt. Zum Beispiel, wenn man zwei von vier wegnimmt ...«
    Rechnen war für Peter ein Greuel.
    »Ich finde das sehr schwer«, sagte er.
    »Hat es dir Onkel Johannes nicht angezeigt?« fragte Veronika. »Onkel Johannes kann das fein. Er macht es mit Nüssen, weißt du. Die Nüsse kann man dann essen.«
    »Bei mir macht er es auch mit Nüssen«, sagte Peter, »Onkel Johannes ist sehr geduldig mit mir, und er erklärt mir das immer wieder. Er meint auch, daß es mir schließlich gut glücken wird. Aber ich spiele viel lieber etwas anderes.«
    »Wir könnten ein Bilderbuch besehen«, schlug Veronika vor, »das ist hübsch, und für dich und Zottel ist es vielleicht bequemer, als wenn wir rechnen. Mutzeputz ist ja angegriffen, aber Magister Mützchen wird sich gewiß gerne die Bilder angucken.«
    Peter nickte zufrieden. Er war mit allem einverstanden, wenn man ihm nur keine schwierigen Fragen stellte. Magister Mützchen war offenbar auch bereit, denn er hüpfte mit einem Satz auf das Bilderbuch, so daß Veronika lachte.
    Dann fiel ihr wieder das grüne Zimmer ein.
    »Glaubst du, daß die graue Tante sich immer noch ihr Bilderbuch besieht?« fragte sie neugierig.
    »An dieses Bilderbuch wollen wir jetzt nicht mehr denken, Veronika«, sagte Magister Mützchen.
    Das Bilderbuch der grauen Frau war aber nicht mehr im grünen Zimmer lebendig. Die Gedanken der grauen Frau waren müde geworden, und sie belebten die Reste alter, vergangener Geschehnisse nicht mehr. So war ihr Bilderbuch zerfallen, und die aufgelösten Gestalten hatten sich zu den vielen anderen Resten verkrochen, die in allen Winkeln im Hause der Schatten hingen. Man sollte sie niemals rufen, aber die graue Frau weckt sie

Weitere Kostenlose Bücher