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Die drei Lichter der kleinen Veronika

Die drei Lichter der kleinen Veronika

Titel: Die drei Lichter der kleinen Veronika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Kyber
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immer wieder, wenn ihre Seele sich sehnte und suchte. Es wohnen ja so manche Tote in den Häusern der Schatten und finden den Weg nicht über die Schwelle. Sie leben in ihrem Bilderbuch, und es dauert oft lange Zeit, bis sie das begreifen.
    Die graue Frau saß zusammengesunken im Sessel, und ihre feinen, blassen Hände spielten ruhelos mit kostbaren alten Ringen, die auch nichts waren als ein Schein ihrer selbst.
    Vor ihr stand Johannes Wanderer. »Bist du wieder gekommen, Johannes?« fragte die graue Frau.
    »Ja, ich bin gekommen, um dir zu helfen. Ich will es wenigstens versuchen. Glaubst du es nicht, Helga, daß du über die Schwelle gehen könntest? Du bist schon viel zu lange im Haus der Schatten gewesen, und so wie du lebst, bist du nicht hier und nicht dort daheim.«
    »Ich ahne das manches Mal, nur ist das alles nicht deutlich genug für mich«, sagte die graue Frau. »Ich kann nichts dabei tun, und auch du kannst mir nicht helfen. Du weißt es ja nicht, was hier alles geschehen ist, oder du weißt es doch nicht so, wie ich es weiß. Ich habe das gelebt und ich muß es weiterleben. Was sollte sonst aus mir werden?«
    »Das war einmal, Helga, aber es ist nicht mehr wirklich. Versuche doch, es zu begreifen, daß du mit Bildern lebst und nicht mit Menschen. Es sind die Reste im Haus der Schatten, in die du dich eingesponnen hast.«
    »Wie willst du wissen, ob es war oder ob es noch ist? Ich habe noch eben erst mit allen gesprochen, die um mich herum saßen. Ich kann mich auch nicht auf etwas anderes besinnen seit der Stunde, als ich hier im grünen Zimmer das Gift nahm. Ich weiß, daß ich einschlief, und als ich erwachte, war alles so, wie es heute noch ist.«
    »Das scheint dir so, Helga, weil du nicht über die Schwelle gehen konntest.«
    »Saß nicht Heinrich vor wenigen Augenblicken dort, wo du jetzt stehst? Griff seine Hand nicht nach dem Degen wie damals, als er mit seinem Vetter in Streit geriet?« fragte die graue Frau.
    »Heinrich ist schon lange gestorben, Helga«, sagte Johannes Wanderer leise. »Das erzählte man mir, aber wie ist das möglich? Er saß ja vor mir – oder steht er nicht noch vor mir?«
    Die schönen Augen der grauen Frau schauten weit und ratlos auf Johannes Wanderer.
    »Sage mir, bist du Heinrich oder bist du Johannes? Ich weiß es nie, wenn ich dich ansehe. Du bist Heinrich und bist es doch nicht.«
    »Ich war Heinrich und bin Johannes. Keiner von beiden bin ich ganz. Es sind nur Wandlungen von uns selbst, Helga, die auf die Wanderschaft gehen.«
    »Ich kann das schwer verstehen, aber ich rede zu dir, wie ich zu Heinrich geredet habe. Mir ist es, als könnte ich gar nicht anders. Du sprachst von der Wanderschaft – heißest du darum Johannes Wanderer?«
    »Es ist dies wohl nur ein Spiel der Dinge, Helga, aber ein wenig hängt ja ein jedes Spiel mit den Dingen zusammen. Wir heißen eigentlich alle so, denn wir alle wandern von einem Leben zum andern, und wir bauen an uns und am Gebäude der Welt. Die Toten und die Lebenden sind doch nur Formen des einen großen Daseins. Aber du bist auf der Wanderung stehengeblieben. Das soll man nicht tun, Helga. Du wirst mich gut verstehen, wenn du erst über die Schwelle gegangen bist.«
    »Das ist schwer zu begreifen, Johannes.«
    »Es ist ganz einfach. Es scheint nur schwierig, wenn wir uns verirren, und du hast dich verirrt im Hause der Schatten.«
    »Ist es denn wahr, daß Heinrich gestorben ist? Es kann ja gar nicht wahr sein«, beharrte die graue Frau, »es war gewiß töricht von mir, es damals zu glauben. Ach, es hat keinen Zweck, daß ich dich frage. Du bist ja Johannes Wanderer, was kannst du davon wissen?«
    »Ich weiß es noch gut, Helga. Sieh einmal, es war so, daß Heinrich und der andere dich beide liebten, und so gerieten sie in Streit. Du aber wußtest es selbst nicht, wen du mehr liebtest. Das war hier im grünen Zimmer, nicht wahr?«
    »Ja, es war hier«, sagte die graue Frau verloren, »hier an diesem Tisch war es. Heinrich stand da, wo du jetzt stehst. Ich habe es erst nachher gewußt, daß ich Heinrich mehr liebte. Aber ich war jung und dumm und eitel, und die Liebe des anderen schmeichelte mir. Am anderen Morgen haben sie sich geschlagen, draußen auf der Heide, wo die drei Birken stehn. Der andere fiel, und es war Blut an Heinrichs Degen. Ich konnte darüber nicht hinweg und habe viele Nächte wach gelegen und gegrübelt. Durfte ich ihn noch lieben oder nicht? Es war ein Toter zwischen uns. Das alles war schrecklich und

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