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Die drei Musketiere

Die drei Musketiere

Titel: Die drei Musketiere Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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wann – du lieber Gott, man ist eben jung – zu einer befreundeten Familie gegangen, um der Herrin des Hauses ein Kapitel aus dem Leben der Heiligen vorzulesen. Da kam plötzlich unangemeldet ein Offizier ins Zimmer. Ich gebe zu, daß die Stellung, in der wir uns eben befanden, geeignet war, Eifersucht zu wecken. Ich hatte nämlich gerade ein Kapitel aus der Judith vor, und die Dame interessierte das Thema so lebhaft, daß sie sich über meine Schulter neigte und mitlas. Den Offizier schien das zu wurmen. Solange er mit mir im Zimmer war, verhielt er sich still; draußen aber stellte er
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    mich und fragte, ob ich schon Bekanntschaft mit Prügeln gemacht hätte. – ›Nicht, daß ich wüßte, Herr‹, versetzte ich,
    ›noch niemand hat gewagt, sie mir zuzumuten.‹ – ›Nun, dann lassen Sie es sich gesagt sein, Herr Abbé in spe‹, rief er, ›setzen Sie noch einmal den Fuß in dieses Haus, dann werde ich es wagen.‹ – Ich glaube, daß mich Furcht beschlich, daß ich bleich wurde, daß ich das Gefühl hatte, als ob die Beine mir den Dienst versagten; ich suchte nach einer Antwort, aber umsonst. Der Offizier rechnete auf eine solche, und da er sah, daß sie ausblieb, drehte er mir den Rücken und ging in das Haus, ich aber wieder in das Seminar. Ich bin Edelmann aus gutem Hause und, wie Sie wohl schon wahrgenommen haben, heißblütig. Den Schimpf, den mir der Offizier angetan hatte, wenngleich ohne Zeugen, konnte ich nicht verwinden. Ich erklärte meinen Oberen, daß ich mich nicht genügend vorbereitet für die Weihe fühlte, und bat, mich ein Jahr zurückzustellen. Mein Wunsch wurde bewilligt, und ich nahm Fechtunterricht beim besten Meister dieser Kunst. Ein ganzes Jahr lang übte ich Tag für Tag, und an dem Tag, da sich der Schimpf jährte, den ich von dem Offizier erlitten hatte, hing ich meine Soutane an den Nagel, legte Edelmannskostüm an und begab mich auf ein Ballfest, wo ich sicher sein durfte, den Offizier zu treffen, der mich beleidigt hatte. Meine Vermutung erfüllte sich. Gerade als er einer Dame sehr eifrig den Hof machte, trat ich auf ihn zu und fragte ihn, ob es ihm noch immer unangenehm sei, wenn ich mich in der Rue Payenne sehen ließe, und ob er, wenn ich mich dort sehen ließe, noch immer die Courage hätte, mir mit Prügeln zu drohen. Er blickte mich verwundert an und sagte, er wisse beim besten Willen nicht, wer ich sei und was ich von ihm wolle. – ›Der kleine Abbé bin ich‹, erwiderte ich ihm, ›der der Dame in der Rue Payenne aus der Geschichte der Heiligen vorlas.‹ – ›Ach!‹
    rief er, ›jetzt fällt's mir ein! Aber womit kann ich dienen?‹ – ›Ich möchte Sie bitten, einen kleinen Gang mit mir zu machen.‹ –
    ›Oh, morgen in aller Frühe gern, bloß jetzt nicht‹, erwiderte er.
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    ›Nein, nicht erst morgen, sondern auf der Stelle, wenn ich bitten darf.‹ – ›Na, mir soll's recht sein‹, versetzte er lachend, entschuldigte sich bei den Damen und folgte mir. Ich führte ihn in die Rue Payenne vor das Haus, in dem er mich beschimpft hatte. Wir kreuzten vor der Tür die Degen, und mit dem ersten Stoß streckte ich ihn tot nieder.«
    »Teufel auch!« rief d'Artagnan.
    »Die Sache machte natürlich Aufsehen, und ich sah mich genötigt, auf das geistliche Kleid zu verzichten, wenigstens für gewisse Zeit. Es traf sich, daß ich mit Athos bekannt wurde, und er und Porthos, der mir mancherlei Fechterkniffe beigebracht hatte, bestimmten mich, um Einstellung in die
    Musketierkompanie nachzusuchen. Mein Vater war bei der Belagerung von Arras gefallen; der König hatte viel auf ihn gehalten, und so bewilligte er mein Gesuch. Wenn ich nun erkläre, daß ich den Zeitpunkt, in die Kirche zurückzutreten, für gekommen erachte, so wird Sie das nicht weiter verwundern, nachdem ich Ihnen diesen Einblick in mein bisheriges Leben gewährt habe.«
    »Und warum gerade heute eher als gestern und morgen?« rief d'Artagnan. – »Meine Verwundung ist mir ein Wink des
    Himmels gewesen.« – »Ihre Verwundung? Pah, die ist bald geheilt, und was Ihnen heute Herzeleid bereitet, ist meiner Überzeugung nach ganz etwas anderes!« – »Und was sollte es sonst sein?« fragte Aramis, tief errötend.
    »Ihr Herz ist verwundet, Aramis!« rief d'Artagnan. »Und das sitzt tiefer und trifft einen empfindlicher als so ein Degenstich!«
    Aramis' Augen blitzten... »Ha«, rief er, seine Bewegung unter einer erheuchelten Gleichgültigkeit verbergend, »kein Wort davon! Ich und

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