Die drei Musketiere
Jesuit fort, »zwei Bände von diesem Format füllen.« In seiner Begeisterung schlug er auf den heiligen Chrysostomus, daß der Tisch wackelte.
D'Artagnan wurde es langsam zumute, als ob er sich unter Narren befände, und als ob er selbst einer werden müsse.
Endlich fragte der Jesuit, nachdem er das Thema noch von verschiedenen anderen Gesichtspunkten erörtert hatte: »Sie beharren also bei Ihrer These?« – »Ich fühle mich dazu berufen, diese These durchzuführen und keine andere zu wählen.« –
»Lassen Sie sich mit der Arbeit Zeit«, antwortete der Geistliche,
»wir verlassen Sie in der besten Stimmung.« – »Jawohl, die Saat ist ausgestreut«, sagte der Jesuit, »wir brauchen nicht zu befürchten, daß ein Teil auf Gestein und ein anderer auf den Weg falle, und daß die Vögel des Himmels das übrige
verzehren, aves coeli comederunt illam.«
Möge die Pest dich mit deinem Latein ersticken! dachte d'Artagnan, dem die Kräfte auszugehen drohten.
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»Gott mit Ihnen, mein Sohn«, sprach der Pfarrer, »auf
morgen!« – »Auf morgen, junger Streiter«, sagte der Jesuit, »Sie versprechen, eine Leuchte der Kirche zu werden. Gebe der Himmel, daß diese Leuchte zu einem verzehrenden Feuer
werde!«
Als die beiden Freunde einander wieder allein
gegenübersaßen, fand im ersten Augenblick keiner ein Wort, und doch mußte das Schweigen einmal gebrochen werden, aber d'Artagnan schien das erste Wort Aramis lassen zu wollen, und so sagte dieser denn: »Sie sehen, daß ich zu meinem
ursprünglichen Plan zurückgekehrt bin, lieber Freund.« – »Ja, wie der geistliche Herr eben sagte, die göttliche Gnade hat sich über Sie ergossen«, antwortete d'Artagnan. – »Oh, der Plan, mich von allem Irdischen zurückzuziehen, wohnt schon lange in meiner Seele«, sagte Aramis. »Sie haben mich wohl schon öfter davon sprechen hören.« – »Freilich; aber ich habe, wie ich nicht leugnen will, immer gedacht, Sie machten bloß Scherz.« –
»Scherz mit dergleichen Dingen? Aber d'Artagnan!« –
»Sapperlot! Mag sein, aber wenn ich Sie bitten darf, so wollen wir den theologischen Kram lieber beiseite lassen; Sie müßten doch, dächte ich, für heute genug davon haben. Ich habe mich mit Latein im ganzen Leben nicht befaßt und, was ich
schließlich mal davon gewußt habe, längst vergessen... Zudem muß ich Ihnen sagen, daß ich heute noch keinen Bissen im Magen habe, und daß ich einen Appetit habe wie ein Werwolf.«
– »Nun, wir wollen gleich frühstücken, lieber Freund; doch vergessen Sie nicht, daß wir heute Freitag haben, und freitags darf ich Fleisch weder sehen noch essen. Mein Menü besteht heute bloß aus Tetragonien und Obst.« – »Was meinen Sie mit Tetragonien?« fragte d'Artagnan unruhig. – »Spinat, lieber Freund«, versetzte Aramis, »aber Ihnen werde ich ein paar Ochsenaugen braten lassen.« – »Ochsenaugen?« wiederholte d'Artagnan, »was soll denn das sein?« – »Spiegeleier«, erklärte Aramis, »es ist zwar ein schwerer Verstoß wider die Regel, denn
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Eier sind Fleisch, da das Huhn sie legt.«
»Na, Magendrücken werden wir wohl davon nicht
bekommen, aber immerhin, um Sie nicht allein lassen zu müssen, will ich mich drein schicken.« – »Ich bin Ihnen für dieses Opfer sehr dankbar«, sagte Aramis, »nützt es aber Ihrem Leib nicht, dann doch sicher Ihrer Seele.«
»Also ist es Ihr fester Entschluß, Aramis, in den geistlichen Stand zu treten? Was werden unsere Freunde, was wird Herr von Tréville dazu sagen? Als Deserteur werden Sie in aller Augen gelten, das kann ich Ihnen schon jetzt sagen.« – »Ich trete nicht in den geistlichen Stand ein, sondern in den geistlichen Stand zurück«, antwortete Aramis. »Um der Welt willen hatte ich der Kirche den Rücken gekehrt, und daß ich mir Gewalt angetan habe, den Musketierrock anzuziehen, wissen Sie doch.« – »Ich? Oh, ich weiß gar nichts!« – »Sie wissen nicht, daß ich aus dem Seminar ausgetreten bin?«
»Keine Silbe!« – »Nun, so hören Sie! Heißt es nicht in der Schrift: Beichtet untereinander? Ich beichte also Ihnen, Freund!« – »Und ich erteile Ihnen die Absolution schon im voraus; Sie sehen also, ich lasse mit mir reden.« – »Treiben Sie nicht Spott mit heiligen Dingen, Freund!« – »Na, legen Sie los, Kamerad! Ich bin ganz Ohr.«
»Ich war vom neunten Jahr im Seminar und sollte drei Tage vor meinem zwanzigsten Lebensjahr Abbé werden. Aber da war ich abends, wie schon früher dann und
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