Die drei Musketiere
den Wirt, der ihm mit einem tiefen Kompliment entgegentrat. – »Ich habe nicht die Ehre, gnädiger Herr«, erwiderte dieser, noch immer
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geblendet von dem stattlichen Aussehen des schmucken
Gardereiters. – »So, wirklich nicht?« fragte d'Artagnan wieder. –
»Nein, gnädiger Herr, in der Tat nicht!« – »Nun, dann werden wohl wenige Worte genügen, um Ihr Gedächtnis
aufzufrischen!« rief d'Artagnan. »Was ist denn aus dem Musketier geworden, den Sie vor etwa vierzehn Tagen der Falschmünzerei beschuldigten?«
Der Wirt wurde leichenblaß, denn d'Artagnan hatte eine drohende Miene angenommen, und Planchet, der ihm an die Seite getreten war, nicht minder. »Ach, Euer Gnaden«, rief der Wirt mit kläglicher Stimme, »bloß darüber kein Wort! Was hat mich diese Dummheit nicht schon gekostet! Ach, es kann keinen unglücklicheren Menschen geben als mich!« – »Was ist aus dem Edelmann geworden?« fragte d'Artagnan streng. – »Vergönnen Sie mir Gehör, gnädigster Herr, und haben Sie Nachsicht! Bitte, Euer Gnaden, nehmen Sie doch erst Platz!«
Vor Zorn und Unruhe keines Wortes mächtig, setzte sich d'Artagnan, in der drohenden Haltung eines Richters, während Planchet sich grimmig hinter ihm aufstellte. »So lassen Sie sich erzählen, wie es zugegangen ist, gnädiger Herr«, hob der Wirt, zitternd am ganzen Leib, an. »Jetzt erkenne ich Sie. Sie brachen auf, als ich mit dem Edelmann, von dem Sie sprechen, den unseligen Zwist hatte.« – »Jawohl, der bin ich«, versetzte d'Artagnan. »Sie merken wohl, daß Sie auf Gnade nicht zu rechnen haben? Sie müßten denn die reine Wahrheit bekennen!«
»Hören Sie gefälligst weiter, Euer Gnaden, und Sie sollen alles erfahren. Es war von den Behörden Mitteilung ergangen, daß ein vornehmer Herr Falschmünzerei triebe und mit
Musketieren und Gardisten in meinem Gasthof vorsprechen werde. Pferde, Diener, Gesichter, alles war mir genau gemeldet worden, Herr!«
»Weiter!« rief d'Artagnan. – »Es wurden mir von der Behörde sechs Mann zur Unterstützung geschickt und mir die Maßregeln vorgeschrieben, die ich ergreifen sollte, mich der Missetäter zu
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versichern.« – »Oho! Auch das noch!« rief d'Artagnan, der den ganzen teuflischen Plan durchschaute, der vom Kardinal gegen ihn ins Werk gesetzt worden war. – »Verzeihen der gnädige Herr«, jammerte der Wirt, »daß ich mich solcher Ausdrücke bediene, aber nur so kann ich mich in Ihren Augen rechtfertigen.
Die Obrigkeit hatte mir Angst eingejagt, und was kann ein Wirt tun, als den Anordnungen der Behörden sich fügen?« – »Aber noch einmal, wo ist der Edelmann?« rief d'Artagnan. »Was ist aus ihm geworden? Ist er tot? Oder lebt er noch?«
»Geduld, gnädiger Herr, wir kommen schon zur Sache. Es ging also alles so zu, wie Ihnen bekannt ist. Ihr Freund, der Edelmann und Musketier, verteidigte sich mit wahrer
Berserkerwut, und sein Page, der sich leider mit den als Stallknechten verkleideten Stadtpolizisten in Zwist eingelassen hatte...«
»Ha, Schurke!« rief d'Artagnan, »also waren Sie im
Einverständnis. Ich weiß nicht, wie ich dazu komme, mit Euch und Eurer Bagage noch viel Federlesens zu machen!«
»Nicht doch, gnädiger Herr, von Einverständnis war keine Rede, wie Sie gleich sehen werden. Ihr Herr Freund – verzeihen Sie, daß ich ihn nicht mit Namen nenne, aber er ist mir nicht bekannt, und keinem in meinem Hause – Ihr Herr Freund also schoß mit seinen Pistolen zwei Mann über den Haufen, zog sich dann fechtend, einen von meinen Knechten dabei zum Krüppel schlagend und mich durch einen Hieb mit der flachen Klinge betäubend, in der Richtung nach dem Keller zurück, dessen Tür offen gelassen worden war, und sprang hinein, riß den Schlüssel heraus, schlug die Tür hinter sich zu und verbarrikadierte sich dort nach allen Regeln der Kunst. In der Überzeugung, ihn hier jederzeit wiederzufinden, hat man sich zunächst nicht mehr um ihn gekümmert.«
»Also hinter Schloß und Riegel wurde er seitdem gehalten?«
rief d'Artagnan empört.
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»Kein Gedanke, gnädiger Herr, daß man sich darum gerissen hätte, ihn hinter Schloß und Riegel zu halten! Er kam ja selbst nicht wieder heraus, und gut hergerichtet hatte er uns, das muß man ihm lassen. Als ich wieder bei Bewußtsein war, suchte ich den Offizier auf, der von der Stadt aus geschickt worden war, den vermutlichen Falschmünzer aufzuhalten, und fragte, was mit dem Musketier im Keller nun werden sollte. Der aber
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