Die drei Musketiere
wenn es bei Ihnen gefunden würde, in welche Gefahren gerieten Sie dann?« – »Wieso? Sind die Anfangsbuchstaben des Namens nicht die gleichen wie bei mir: K. B., Konstance Bonacieux?« – »Oder Kamilla de Bois- Tracy!« – »Still, Herr!
Noch einmal sage ich Ihnen: Still! Ach, wenn die Gefahren Sie nicht abhalten, denen ich mich aussetze, dann denken Sie an die,
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die Ihnen selbst drohen!« – »Mir?« – »Ja, Ihnen! Zu meinen Bekannten gehören, bringt Gefahr für Freiheit und Leben!« –
»Dann verlasse ich Sie mit keinem Fuß mehr.« – »Mein Herr«, rief die junge Frau, indem sie wie bittend die Hände faltete, »im Namen des Himmels, bei Ihrer Ehre als Soldat, bei Ihrer Gesinnung als Edelmann fordere ich von Ihnen, sich zu
entfernen! Es schlägt Mitternacht, und zu dieser Stunde werde ich erwartet.« – »Madame!« rief d'Artagnan, sich verneigend.
»Bitten in solchem Ton kann ich nichts verweigern! Beruhigen Sie sich, ich gehe!« – »Aber Sie schleichen nicht hinter mir her?« – »Ich begebe mich auf der Stelle nach Hause!« – »Oh, ich wußte ja, Sie sind ein edler junger Mann!« rief Madame Bonacieux, ihm die Hand reichend, während sie mit der andern den Klopfer einer in die Mauer geschlagenen kleinen Pforte in Bewegung setzte.
D'Artagnan ergriff die Hand, die Ihm gereicht wurde, und bedeckte sie mit Küssen. »Ha, hätte ich Sie doch nie gesehen!«
rief er mit jener treuherzigen Derbheit, die Frauen oft lieber hören als die gedrechselten Liebesphrasen, weil sie den eigentlichen Herzensgrund offenbart und dartut, daß Gefühl den Verstand mit fortreißt. – »Nun«, erwiderte die Frau mit fast schmeichlerischem Ton, d'Artagnans Hand, die noch die ihrige gepreßt hielt, lebhaft drückend, »soweit wie Sie, will ich nicht gehen, denn was uns heute nicht beschert ist, kann uns in Zukunft beschieden sein; und wer weiß, ob ich nicht eines Tages, wenn ich wieder meine freie Herrin bin, Ihre Neugierde befriedige!« – »Gilt das gleiche Versprechen meiner Liebe?«
fragte d'Artagnan, auf dem Gipfel der Wonne. – »Lassen wir es vorläufig bei der Dankbarkeit, mein Lieber, und seien Sie so klug, zu gehen, ich beschwöre Sie!« erwiderte die Frau. »Es hat schon zwölf geschlagen, und ich werde um zwölf erwartet.« –
»Seit fünf Minuten!« rief er. – »Allerdings seit fünf Minuten«, sagte Frau Bonacieux; »unter Umständen sind fünf Minuten fünf Jahrhunderte.« – »Am meisten«, sagte er, »wenn man liebt.« –
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»Wer sagt Ihnen, daß ich Liebeshändel habe?« – »Es erwartet Sie doch ein Mann!« rief d'Artagnan. – »Soll der Streit von neuem beginnen?« fragte Frau Bonacieux mit schelmischem Lächeln, dem ein Schatten von Ungeduld beigemischt war. –
»Nein, nein, ich gehe schon, ich laufe, glaube Ihnen, will mich nicht um das Verdienst meiner Ergebenheit bringen, und sollte sie auch eine Dummheit sein! Leben Sie wohl, Frau Bonacieux, leben Sie wohl!« – Und als hätte er sich nicht stark genug gefühlt, sich von der Hand, die ihn hielt, anders als gewaltsam zu trenne n, schleuderte er sie von sich und rannte hinweg, während Frau Bonacieux, wie vordem an den Fensterladen, dreimal hintereinander klopfte. An der Straßenecke machte er kehrt: die Tür war geöffnet und wieder geschlossen worden, die hübsche Krämersfrau aber verschwunden.
D'Artagnan setzte seinen Weg fort; er hatte sein Wort
gegeben, der Frau nicht nachzuspionieren, und wäre sein Leben abhängig gewesen von dem Ort, wohin sie sich jetzt begab, oder von der Person, die hinfort ihre Begleitung bilden sollte, so wäre er nach Hause gegangen, eben weil er es versprochen hatte. In knapp fünf Minuten befand er sich in der Rue des Fossoyeurs.
»Der arme Athos«, dachte er, »wird gar nicht wissen, was das alles heißen soll. Es mag ihm wohl zu langweilig geworden sein, auf mich zu warten; vielleicht ist er eingenickt oder nach Hause gegangen und hat dort schon gehört, daß eine Dame da gewesen ist, bei ihm! Bei Athos! Übrigens«, sinnierte er weiter, als er die Treppe zu seiner Stube hinaufstieg, »ist ja bei Aramis auch eine gewesen. Die Geschichte nimmt wirklich eine schnurrige Wendung, und ich bin gespannt, wie sie noch ausgehen wird.«
»Schlimm, Herr, schlimm«, antwortet ihm, denn er hatte die letzten Worte laut vor sich hingesprochen, eine Stimme, in der er diejenige Planchets erkannte, »glauben Sie mir, sehr schlimm!«
»Schlimm? Was soll das heißen, Tolpatsch?«
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