Die drei Musketiere 2
bei der Belagerung von La Rochelle zurückgehalten.« – »Woher wißt Ihr das?« – »Mein Bruder ist dem Boten des Kardinals in Musketieruniform begegnet. Man würde Euch an die Pforte gerufen haben, und während Ihr geglaubt hättet, es mit Freunden zu tun zu haben, hätte man Euch entführt und nach Paris zurückgebracht.«
16
»Aber sagt mir doch«, bat Madame Bonacieux, »was ich beginnen soll!«
»Zunächst wäre es möglich, daß ich mich irre«, erwiderte Mylady, »und daß d’Artagnan und seine Freunde wirklich zu Eurer Befreiung kommen.« – »Ach, das wäre zu schön!« rief Madame Bonacieux aus, »aber so großes Glück ist mir nicht beschieden!« – »Nun, wie Ihr einsehen werdet, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, eine Art Wettrennen, wer zuerst ankommt. Tragen Eure Freunde in dem Rennen den Sieg davon, dann seid Ihr gerettet, siegen dagegen die Häscher des Kardinals, so seid Ihr verloren.« – »Ach, ja, ohne Gnade verloren! Was also tun? Was tun?«
»Es gäbe ein einfaches, ganz natürliches Mittel.« – »Oh!
nennt es!« – »Ihr müßt Euch hier in der Gegend verborgen halten und zusehen, wer es ist, der Euch holen will.« – »Aber 254
wo warten?«
»Oh! Das macht keine Schwierigkeit, ich selbst werde mich einige Meilen von hier in der Verborgenheit aufhalten. Wenn Ihr wollt, nehme ich Euch mit. Wir warten dann in unserem Versteck zusammen auf Erlösung.«
»Aber man wird mich nicht fort lassen, ich bin hier gleichsam eine Gefangene.«
»Da man der Ansicht ist, daß ich auf Befehl des Kardinals abreise, so wird man nicht glauben, daß Ihr es sehr eilig habt, mir zu folgen.« – »Nun?« – »Nun, der Wagen hält vor der Tür, Ihr sagt mir Lebewohl, steigt auf den Fußtritt, um mich zum letztenmal zu umarmen, der Diener meines Bruders, der mich abholen wird, ist von der Sache verständigt, er gibt dem Postillon ein Zeichen, und wir fahren im Galopp davon.«
»Wenn nun aber d’Artagnan kommt?« – »Das werden wir ja erfahren.« – »Wie denn?« – »Nichts leichter als das. Wir schicken den Diener meines Bruders, auf den wir uns, wie ich Euch bereits gesagt habe, verlassen Tconnen, nach Bethune zurück. Er verkleidet sich und nimmt dem Kloster gegenüber Wohnung. Kommen die Boten des Kardinals, so verhält er sich still, kommt aber Monsieur d’Artagnan mit seinen Freunden, so führt er sie nach unserem Aufenthaltsort.«
»Er kennt sie also?« – »Gewiß, er hat doch Monsieur d’Artagnan schon bei uns gesehen.« – »Ach ja, ja, Ihr habt recht, so geht alles ganz gut, so ist alles aufs beste vorgesorgt. Aber wir dürfen uns nicht allzuweit von hier entfernen.« –
»Höchstens sieben oder acht Meilen weit. Wir können uns zum Beispiel an der Grenze aufhalten, und bei dem ersten Zeichen einer Gefahr verlassen wir Frankreich.«
»Und was tun wir mittlerweile?« – »Ruhig warten.« – »Aber wenn sie kommen?« – »Der Wagen meines Bruders wird vor ihnen da sein.« – »Wenn ich aber zur Zeit, da man Euch abholt, nicht bei Euch bin, sondern etwa beim Mittag- oder
Abendessen?« – »Für diesen Fall würde ich Euch eines 255
empfehlen.« – »Was?« – »Damit wir uns so wenig wie möglich zu verlassen brauchen, bittet die gute Äbtissin um die Erlaubnis, an meinen Mahlzeiten teilnehmen zu dürfen.« – »Wird sie es erlauben?« – »Was steht dem im Wege?« – »Oh, ausgezeichnet!
Auf diese Weise trennen wir uns nicht einen Augenblick!« –
»Wohlan! Geht jetzt zu ihr hinab und tragt ihr Eure Bitte vor.
Mein Kopf ist mir sehr schwer, ich werde ein wenig im Garten Spazierengehen.« – »Und wo treffe ich Euch wieder?« – »Hier, in einer Stunde!« – »Oh! Ich danke Euch. Wie gut Ihr doch seid!«
Und mit dem freundlichsten Lächeln schieden die beiden Frauen.
Mylady war der Kopf schwer, denn ihre noch unklaren Pläne wirbelten wild durcheinander. Sie bedurfte der Einsamkeit, um etwas Ordnung in ihre Gedanken zu bringen. Das dringendste war, Madame Bonacieux zu entführen und an einen sichern Ort zu bringen, um sie erforderlichenfalls als Geisel zu gebrauchen, denn Mylady fing an, den Ausgang des furchtbaren
Zweikampfes zu fürchten, bei dem ihre Feinde ebensoviel Hartnäckigkeit zeigten, wie sie selbst Erbitterung bewies.
Überdies fühlte sie, wie man den Sturm kommen fühlt, daß dieser Ausgang nahe war und furchtbar werden mußte.
Nach einer Stunde hörte sie eine sanfte Stimme ihren Namen rufen; es war Madame Bonacieux. Als sie in
Weitere Kostenlose Bücher