Die drei Musketiere 2
ausgesucht?« – »Mit der größten Sorgfalt. Die Sicherheit des Reiters hängt fast immer von seinem Pferd ab.«
»Nun gut, so tretet es mir zu dem Preis ab, zu dem Ihr es gekauft habt.« – »Ich wollte es Euch eben anbieten, mein lieber d’Artagnan, und lasse Euch gerne die erforderliche Zeit, mir diese Kleinigkeit zu bezahlen.« – »Wie hoch kam es Euch?« –
»Achthundert Livres.« – »Hier sind vierzig Doppelpistolen, mein lieber Freund«, sagte d’Artagnan, indem er den Betrag aus der Tasche zog, »ich weiß, daß dies die Münze ist, mit der man Euch Eure Gedichte bezahlt.«
»Ihr seid demnach gut bei Kasse?« sagte Aramis. – »Jawohl, ich bin reich, sehr reich, mein Lieber.« – Und d’Artagnan ließ prahlerisch die übrigen Pistolen in seiner Tasche klingen.
»Schickt Euren Sattel in das Hôtel der Musketiere, und man wird Euch Euer Pferd mit den unsrigen hierher führen.«
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Eine Viertelstunde nachher erschien Porthos am Ende der Rue Ferou auf einem prächtigen Roß. Mousqueton folgte ihm auf einem Auvergner Pferd, das kleiner, aber stark war. Porthos’
Gesicht glänzte vor Stolz und Freude. Zugleich sah man Aramis an dem anderen Ende der Straße auf einem herrlichen englischen Renner, Bazin folgte ihm auf einem Rotschimmel und führte ein kräftiges Mecklenburger Roß am Zügel, das für d’Artagnan bestimmt war.
Planchet und Grimaud erschienen nun ebenfalls und führten die Pferde ihrer Herren. D’Artagnan und Athos gingen hinab, gesellten sich zu ihren Gefährten, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Ein kurzer Galopp brachte sie auf die Straße von Chaillot. Der Tag fing an sich zu neigen. Wagen fuhren hin und her. Aus einiger Entfernung von seinen Freunden bewacht, ließ d’Artagnan seine Blicke in die Tiefe jedes Wagens tauchen, sah aber kein ihm bekanntes Gesicht. Endlich, nachdem er eine Viertelstunde gewartet hatte und die Abenddämmerung eingebrochen war, fuhr ein Wagen in starkem Galopp auf der Straße von Sèvres herbei. Eine Ahnung sagte d’Artagnan, dieser Wagen müsse die Person enthalten, die ihn hierher beschieden hatte. Fast in derselben Sekunde hob sich ein Frauenkopf aus dem Kutschenschlag hervor, zwei Finger auf dem Mund, wie um Stillschweigen zu empfehlen oder einen Kuß zuzusenden.
D’Artagnan stieß einen leichten Schrei der Freude aus. Diese Frau oder vielmehr diese Erscheinung – denn der Wagen war mit der Geschwindigkeit eines Traumbildes vorübergezogen –
war Madame Bonacieux.
D’Artagnan war ganz verblüfft auf demselben Platz geblieben und wußte nicht, was er denken sollte. War es Madame Bonacieux und kehrte sie nach Paris zurück, warum dann diese flüchtige Begegnung? War sie es dagegen nicht, was immer noch sein konnte, denn das schwache Tageslicht machte einen Irrtum ganz leicht möglich, konnte dies dann nicht die 76
Einleitung zu einer Falle sein, für die man als Köder seine Liebe zu dieser Frau benutzte? Die drei Freunde näherten sich ihm.
Alle drei hatten den Frauenkopf aus dem Kutschenschlag erscheinen sehen, aber keiner von ihnen außer Athos kannte Madame Bonacieux. Athos war allerdings der Meinung, sie sei es gewesen. Da er aber von dem hübschen Gesicht nicht so in Anspruch genommen wurde wie d’Artagnan, hatte er einen zweiten Kopf, einen Männerkopf, im Hintergrund des Wagens zu sehen geglaubt.
»Wenn dem so ist«, sagte d’Artagnan, »so bringt man sie ohne Zweifel von einem Gefängnis in das andere. Aber was wollen sie mit diesem armen Geschöpf machen? Und wie soll ich sie je wiederfinden?«
»Lieber Freund«, sagte Athos ernst, »vergeßt nicht, daß nur die Toten es sind, denen wir auf Erden nie mehr begegnen. Nun, wenn Eure Geliebte nicht tot ist, wenn sie es ist, die wir soeben gesehen haben, so werdet Ihr sie sicher früher oder später wiederfinden. Und vielleicht, wer weiß«, fügte er in jenem menschenfeindlichen Ton hinzu, der ihm eigen war, »vielleicht geschieht das früher, als es Euch erwünscht ist.«
Es schlug halb acht Uhr. Der Wagen war zwanzig Minuten nach der bestimmten Stunde gekommen. Die Freunde erinnerten d’Artagnan daran, daß er noch einer Einladung zu folgen habe, bemerkten jedoch, es sei immer noch Zeit, sich davon freizumachen. Aber d’Artagnan war zugleich hartnäckig und neugierig. Er hatte sich in den Kopf gesetzt, nach dem Palais Richelieus zu gehen, um zu erfahren, was ihm Seine Eminenz sagen wollte.
Man gelangte nach der Rue Saint-Honore und vor das Palais des Kardinals
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