Die drei Musketiere 2
und traf die zwölf Musketiere, die, ihre Kameraden erwartend, auf und ab gingen. Man erklärte ihnen erst hier, worum es sich handelte. D’Artagnan war sehr bekannt bei dem Korps der Musketiere. Man wußte, daß er einst eine Stelle darin bekommen sollte, und betrachtete ihn im voraus als 77
Kameraden. Daher waren sie ihm gern behilflich. Man hoffte überdies, dem Kardinal und seinen Leuten einen üblen Streich zu spielen, und dazu waren die Musketiere stets bereit. Athos teilte sie in drei Gruppen, übernahm das Kommando der einen, übergab die zweite Aramis, die dritte Porthos, und jede Gruppe legte sich einem Eingang gegenüber in den Hinterhalt.
D’Artagnan trat mutig durch die Hauptpforte ein. Obgleich der junge Mann der tatkräftigen Hilfe seiner Freunde sicher war, war er doch nicht ganz ruhig, als er die große Treppe Stufe um Stufe hinaufstieg. Sein Benehmen gegen Mylady sah einem Verrat sehr ähnlich, und wahrscheinlich stand diese Frau mit Richelieu in engen politischen Beziehungen. Auch war der Comte de Wardes, den er so übel zugerichtet hatte, einer von den Getreuen Seiner Eminenz, und d’Artagnan wußte, daß so furchtbar der Kardinal für seine Feinde war, so anhänglich er sich seinen Freunden gegenüber zeigte.
Er war bis zu diesem traurigen Schluß gelangt, als er in das Vorzimmer eintrat. Hier übergab er seinen Brief dem Türsteher vom Dienst, der ihn in den Wartesaal führte und sich in das Innere des Palastes verfügte. In dem Wartesaal befanden sich fünf bis sechs Leibwachen des Kardinals, die ihn, da sie d’Artagnan erkannten und wußten, daß er es war, der Jussac verwundet hatte, mit sonderbarem Lächeln anschauten, das d’Artagnan als ein schlimmes Vorzeichen erschien.
Der Türsteher kehrte zurück und machte d’Artagnan ein Zeichen, ihm zu folgen. Es kam dem jungen Mann vor, als ob die Garden unter sich flüsterten, als sie ihn weggehen sahen.
D’Artagnan kam zuerst durch einen Flur, sodann durch einen Salon, trat in eine Bibliothek ein und stand vor einem Mann, der an einem Arbeitstisch saß und schrieb.
Der Türsteher, der ihn eingeführt hatte, zog sich zurück, ohne ein Wort zu sprechen. D’Artagnan glaubte anfangs, er habe es mit einem Richter zu tun, der in seine Akten blickte, aber er bemerkte, daß der Mann an seinem Schreibtisch schrieb oder 78
vielmehr Zeilen von ungleicher Länge korrigierte, indem er dabei Wortsilben mit dem Finger abzählte. Nach einem Augenblick schloß der Mann sein Manuskript, auf dessen Deckel »Mirame, Tragödie in fünf Akten« geschrieben stand, und blickte auf.
D’Artagnan erkannte Kardinal Riche lieu.
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Richelieu stützte seine Ellbogen auf sein Manuskript, seine Wange in die Hand und schaute d’Artagnan einen Augenblick an. Niemand besaß ein tiefer forschendes Auge als der Kardinal, und dem jungen Mann rann es bei diesem Blick wie Fieber durch die Adern. Er blieb indessen fest, hielt seinen Hut in der Hand und erwartete den Bescheid Seiner Eminenz, ohne zu viel Stolz, aber auch ohne zu viel Demut.
»Monsieur«, sagte der Kardinal, »seid Ihr ein gewisser d’Artagnan aus Bearn?«
»Ja, Monseigneur.«
»Gut, Ihr seid es, der vor sieben oder acht Monaten von seiner Heimat abgereist ist, um in der Hauptstadt sein Glück zu suchen?«
»Ja, Monseigneur.«
»Ihr seid durch Meung gekommen, wo Euch etwas begegnete; ich weiß nicht mehr genau was, aber irgend etwas.«
»Monseigneur«, sagte d’Artagnan, »es begegnete mir …«
»Unnötig, unnötig«, versetzte der Kardinal mit einem Lächeln, das andeutete, daß er die Geschichte so gut kannte wie sein Gegenüber. »Ihr wart an Monsieur de Treville empfohlen?«
»Ja, Monseigneur, aber gerade bei dieser unglücklichen Angelegenheit in Meung …«
»Ging der Empfehlungsbrief verloren«, unterbrach ihn Seine 79
Eminenz, »ja, ich weiß es. Aber Monsieur de Treville ist ein geschickter Gesichtsdeuter, der die Menschen auf den ersten Blick durchschaut und er hat Euch in der Kompanie seines Schwagers, des Monsieur des Essarts, untergebracht, wobei er Euch Hoffnung machte, mit der Zeit bei den Musketieren eintreten zu können?«
»Monseigneur ist vollkommen unterrichtet.«
»Seid dieser Zeit ist Euch vielerlei begegnet. Ihr seid eines Tages hinter dem Karmeliterkloster spazierengegangen, wo es besser gewesen wäre, Ihr hättet Euch anderswo befunden. Dann habt Ihr mit Euren Freunden eine Reise nach den Bädern von Forges gemacht. Die sind auf der Strecke zurückgeblieben, Ihr
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