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Die drei Musketiere 2

Die drei Musketiere 2

Titel: Die drei Musketiere 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexandre Dumas
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scheinbar unerschöpflichen Kraft, ihre ganze Seelenstärke.
    Sie fiel auf einen Stuhl zurück, kreuzte die Arme, ließ den Kopf sinken und erwartete jeden Augenblick, es werde ein Richter erscheinen, um sie zu verhören. Aber es kam niemand, außer zwei Marinesoldaten, die die Koffer und Kisten brachten, diese in eine Ecke niederstellten und sich entfernten, ohne ein Wort zu sprechen.
    Der Offizier bewahrte inzwischen immer dieselbe Ruhe, die Mylady beständig an ihm wahrgenommen hatte. Endlich konnte sie nicht länger an sich halten. Sie unterbrach das Stillschweigen 158
    und rief: »Um Gottes willen, was soll das alles bedeuten? Macht meiner Unruhe ein Ende! Ich habe Mut, jeder Gefahr, die ich vorhersehe, jedem Unglück, das ich erkenne, zu trotzen. Wo bin ich und was bin ich? Bin ich frei? Warum diese eisernen Stangen und diese Türen? Bin ich eine Gefangene? Welches Verbrechen habe ich begangen?«
    »Ihr seid hier in der für Euch bestimmten Wohnung, Madame.
    Ich habe Befehl erhalten, Euch auf See abzuholen und in dieses Schloß zu bringen. Diesen Befehl habe ich, wie ich glaube, mit aller Strenge eines Soldaten, aber zugleich mit aller Höflichkeit eines Edelmannes vollzogen. Damit ist fürs erste der Auftrag, den ich bei Euch zu erfüllen hatte, zu Ende, das weitere geht eine andere Person an.«
    »Und die andere Person, wer ist sie? Könnt Ihr mir nicht ihren Namen sagen?«
    In diesem Augenblick vernahm man auf der Treppe lautes Sporengeklirr, einige Stimmen wurden im Vorzimmer hörbar und verhallten wieder. Dann näherte sich ein einzelner Schritt der Tür.
    »Hier ist sie, Mylord«, sagte der Offizier, öffnete die Tür und nahm eine ehrfurchtsvolle Haltung an.
    Zugleich erschien ein Mann auf der Schwelle, er war ohne Hut und trug einen Degen an seiner Seite, und blieb außerhalb des Lichtkreises der Lampe stehen. Mylady glaubte ihn zu erkennen. Der Fremde näherte sich langsam. Sobald er in den von der Lampe geworfenen Lichtkreis trat und näher kam, wich Mylady unwillkürlich zurück. Als ihr kein Zweifel mehr übrig blieb, rief sie mit dem höchsten Erstaunen:
    »Wie, mein Bruder, Ihr seid es?« – »Ja, schöne Dame«, antwortete Lord Winter mit einer halb höflichen, halb ironischen Verbeugung, »ich bin es.« – »Aber dieses Schloß?« – »Gehört mir.« – »Dieses Zimmer?« – »Ist das Eure.« – »Und ich bin also Eure Gefangene?« – »So ungefähr.« – »Aber das ist ein ganz abscheulicher Mißbrauch der Gewalt.« – »Keine großen Worte!

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    Setzen wir uns und unterhalten wir uns ruhig miteinander, wie es sich zwischen Bruder und Schwester geziemt.«
    Dann wandte er sich nach der Tür um und sagte, als er sah, daß der junge Offizier auf seine letzten Befehle wartete: »Es ist gut, ich danke Euch, laßt uns nun allein, Leutnant Feiton.«
    Während Lord Winter die Tür schloß, einen Laden aufstieß und einen Stuhl näher zu dem seiner Schwägerin rückte, suchte Mylady alle Möglichkeiten zu ergründen, und entdeckte einen Zusammenhang, den sie nicht geahnt hatte.
    »Ja, unterhalten wir uns, mein Bruder«, sagte sie wie erfreut, dabei fest entschlossen, sich trotz aller etwaigen Verstellung des Lords, aus dem Gespräch die nötige Aufklärung zu verschaffen, um ihr Benehmen danach einzurichten.
    »Ihr habt Euch also entschlossen, nach England
    zurückzukehren«, sagte Lord Winter, »obschon Ihr mir in Paris so oft erklärt habt, daß Ihr Großbritannien nie wieder betreten würdet?«
    Mylady antwortete auf diese Frage mit einer andern Frage.
    »Vor allem«, entgegnete sie, »sagt mir doch, wie Ihr mich so genau habt beobachten lassen, daß Ihr nicht nur über mein Kommen, sondern auch über den Tag, die Stunde meines Eintreffens in dem Hafen, in dem ich landen würde, unterrichtet ward?«
    Lord Winter wandte dieselbe Methode an wie Mylady, und antwortete ebenfalls mit einer Frage.
    »Sagt Ihr mir lieber, meine teure Schwägerin«, lächelte er,
    »zu welchem Zweck Ihr eigentlich nach England gekommen seid.«
    »Zu welchem Zweck? Nun, um Euch zu besuchen«, erwiderte sie, ohne zu wissen, wie sehr diese Antwort den Verdacht bekräftigte, den der Brief d’Artagnans in ihrem Schwager erregt hatte.
    »So, so! Um mich zu besuchen?« sagte Lord Winter in 160
    zweifelndem Ton. – »Natürlich, um Euch zu besuchen. Was gibt es denn dabei zu verwundern?« – »Eure Reise nach England hat also gar keinen andern Zweck, als mich zu besuchen?« –
    »Nein.«
    »So habt Ihr Euch also nur

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