Die drei Musketiere 2
belebt.
»Meine Herren«, sagte er, laßt mich mit Patrick und La Porte allein … Ah! Ihr seid es, Lord Winter! Ihr habt mir heute morgen einen sonderbaren Narren geschickt, seht, was er mir getan hat!«
»Oh! Mylord«, rief Lord Winter, »Mylord, ich werde mich nie zu trösten wissen.«
»Und du hättest unrecht, mein guter Winter«, erwiderte Buckingham und reichte ihm die Hand. »Ich kenne keinen Menschen, der es verdiente, von einem andern ein ganzes Leben lang beklagt zu werden. Aber ich bitte dich, laß uns allein.«
Lord Winter entfernte sich schluchzend.
Es blieben nur noch der Verwundete, La Porte und Patrick.
Man suchte einen Arzt und konnte keinen finden.
»Ihr werdet leben, Mylord, Ihr werdet leben«, wiederholte, vor dem Sofa des Herzogs kniend, der Bote Annas von 229
Österreich.
»Was schreibt sie mir?« fragte der Herzog mit schwacher Stimme, stark blutend und die furchtbaren Schmerzen bezwingend, um von der Geliebten sprechen zu können. »Was schreibt sie mir? Lies mir ihren Brief vor!«
La Porte erbrach das Siegel und legte dem Herzog das Schreiben unter die Augen, aber Buckingham versuchte vergebens, die Schrift zu unterscheiden.
»Lies doch«, sagte er, »lies doch. Ich sehe nichts mehr, lies doch, denn bald werde ich auch nicht mehr hören, und ich werde sterben, ohne zu erfahren, was sie mir geschrieben hat.«
La Porte las:
»Mylord,
Bei dem, was ich, seit ich Euch kenne, für Euch und durch Euch gelitten habe, beschwöre ich Euch, wenn Euch an meiner Ruhe etwas gelegen ist, nicht länger so furchtbar gegen Frankreich zu rüsten und einen Krieg zu führen, für den öffentlich die Religion als Vorwand gilt, während man im stillen sagt, Eure Liebe für mich sei die verborgene Ursache. Dieser Krieg kann nicht nur Frankreich und England schweres Unheil, sondern auch über Euch ein Unglück bringen, das mich trostlos machen würde.
Wacht über Euer Leben, das man bedroht, und das mir von dem Augenblick an teuer sein wird, wo ich nicht mehr genötigt sein werde, in Euch einen Feind zu sehen.
Eure wohlgewogene Anna.«
Buckingham raffte seine letzte Kraft zusammen, um diesen Brief anzuhören. Sobald er zu Ende war, fragte er, als hätte er eine bittere Enttäuschung erfahren:
»Habt Ihr mir nichts anderes mündlich zu sagen, La Porte?«
»Allerdings, Mylord. Die Königin beauftragte mich, Euch zu sagen, Ihr möchtet auf Eurer Hut sein, denn sie habe sichere Kunde, daß man Euch ermorden wolle.«
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»Und das ist alles? Das ist alles?« versetzte Buckingham ungeduldig.
»Sie hat mich auch noch beauftragt, Euch zu sagen, daß sie Euch stets liebe.«
»Ah!« rief Buckingham, »Gott sei gelobt! Mein Tod wird also für sie nicht der Tod eines Fremden sein.«
La Porte zerfloß in Tränen.
»Patrick«, sagte der Herzog, »bring mir das Kästchen, in dem die diamantenen Nestelstifte eingeschlossen waren.«
Patrick brachte es eilends herbei.
»Jetzt das kleine Kissen von weißem Atlas, auf das ihr Namenszug in Perlen gestickt ist.«
Patrick gehorchte abermals.
»Seht, La Porte«, sagte Buckingham, »das sind die einzigen Pfänder, die ich von ihr besitze. Dieses silberne Kästchen und diese zwei Briefe. Ihr gebt sie Ihrer Majestät zurück, und zum letzten Andenken« … er suchte mit den Augen einen kostbaren Gegenstand … »fügt Ihr …«
Er suchte abermals, aber sein vom Tod verdunkelter Blick traf nur das Messer, das Feitons Händen entfallen war, und dessen Klinge noch von frischrotem Blut troff.
»Und Ihr legt dieses Messer dazu!«
Er legte das kleine Kissen in das silberne Kästchen, ließ das Messer hineinfallen und machte La Porte ein Zeichen, daß er nicht mehr sprechen könne. Dann erfaßte ihn eine letzte krampfhafte Zuckung, die er nicht mehr zu bekämpfen vermochte, und er glitt vom Sofa auf den Boden herab.
Patrick stieß einen Schrei aus. Buckingham wollte zum letztenmal lächeln, aber der Tod schlug seinen Gedanken in Fesseln, der wie ein letztes Lebewohl auf seine Lippen und seine Stirn geprägt blieb.
In diesem Augenblick trat der Arzt des Herzogs ganz verstört ein. Er war schon an Bord des Admiralschiffes gewesen. Er 231
näherte sich dem Herzog, nahm seine Hand, hielt sie einen Augenblick in der seinigen und ließ sie wieder fallen.
»Alles ist vergeblich«, sagte er, »er ist tot.«
»Tot! Tot!« rief Patrick.
Bei diesem Schrei drang alles wieder in den Saal, und überall herrschte Bestürzung und Aufruhr. Sobald Lord Winter Buckingham entseelt
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