Die drei Musketiere 2
sah, lief er zu Feiton zurück, den die Soldaten auf der Terrasse des Palastes bewachten.
»Elender«, sagte er zu dem jungen Mann, der seit dem Tod Buckinghams seine ganze Ruhe und Kaltblütigkeit
wiedergewonnen hatte. »Elender, was hast du getan? « – »Ich habe mich gerächt.«
»Du!« rief Lord Winter. »Sag lieber, daß du diesem
verfluchten Weib als Werkzeug gedient hast, aber ich schwöre dir, dieses Verbrechen soll ihr letztes sein!«
»Ich weiß nicht, was Ihr damit sagen wollt«, entgegnete Feiton ruhig, »und ich begreife nicht, wovon Ihr sprecht, Mylord. Ich habe den Herzog von Buckingham getötet, weil er es zweimal abschlug, mich zum Kapitän zu ernennen. Ich habe ihn für seine Ungerechtigkeit bestraft, weiter nichts.«
Lord Winter wußte nicht, was er von diesen Worten denken sollte. Nur eins lagerte sich wie eine Wolke auf Feitons Stirn.
Bei jedem Schritt, den er hörte, glaubte der betörte Puritaner den Schritt und die Stimme Myladys zu hören, die komme, sich in seine Arme zu werfen, sich mit ihm anzuklagen und dem Tod zu überantworten.
Plötzlich erbebte er. Sein Blick war auf einen Punkt im Meer gerichtet, das man von der Terrasse aus, auf der er sich befand, weit übersah. Ganz draußen ha tte er ein Segel erblickt, das nach der Küste Frankreichs steuerte. Er erbleichte, fuhr mit der Hand nach dem brechenden Herzen und erkannte den ganzen Verrat.
»Eine letzte Gnade« sagte er zu Lord Winter. – »Welche?« –
»Wieviel Uhr ist es?« – »Neun Uhr.«
232
Mylady hatte die Abfahrt um anderthalb Stunden vorverlegt.
Sobald sie den Kanonenschuß hörte, der das unglückliche Ereignis verkündete, gab sie Befehl, die Anker zu lichten.
»Es war Gottes Wille«, sagte Feiton, mit der Ergebung des Fanatikers, jedoch ohne seine Augen von dem Fahrzeug losreißen zu können, an dessen Bord er ohne Zweifel die weiße Gestalt derjenigen zu sehen glaubte, der sein Leben geopfert werden sollte. Lord Winter folgte seinem Blick, schaute in sein leidendes Antlitz und erriet alles.
»Du sollst zunächst allein bestraft werden, Elender«, sagte der Lord zu Feiton, der sich, die Augen nach der See gekehrt, wegführen ließ, »aber ich schwöre dir bei dem Andenken an meinen Bruder, daß deine Mitschuldige der Strafe nicht entgeht.«
Feiton neigte das Haupt, ohne eine Silbe zu sprechen. Lord Winter aber stieg rasch die Treppe hinab und begab sich zum Hafen.
15
Als König Karl I. von England vom Tod des Herzogs erfuhr, fürchtete er vor allem, die Rocheller könnten durch diese furchtbare Nachricht entmut igt werden, er suchte sie ihnen daher so lange wie möglich zu verheimlichen, ließ die Häfen im ganzen Königreich schließen und sorgfältig darüber wachen, daß kein Schiff auslaufen konnte, bis das Heer, das Buckingham ausrüstete, ausgelaufen wäre, und übernahm es selbst, die Abfahrt zu leiten.
Da er aber seinen Befehl erst fünf Stunden nach dem Ereignis, das heißt gegen zwei Uhr nachmittags, erließ, so waren bereits zwei Schiffe aus dem Hafen ausgelaufen; das eine führte Mylady, die den Mord vermutete, und darin noch durch den Anblick der schwarzen Flagge auf dem Admiralsschiff bestärkt 233
wurde. Wen das zweite Schiff mit sich führte und wie es hinauskam, werden wir später mitteilen.
Während dieser Zeit begab sich nichts Neues im Lager von La Rochelle. Nur beschloß der König, der sich wie immer langweilte, heimlich das Fest des heiligen Ludwig in Saint-Germain mitzumachen, und ersuchte den Kardinal, eine Eskorte von zwanzig Musketieren für ihn bereitzustellen. Der Kardinal, den die Langeweile des Königs manchmal ansteckte, bewilligte seinem königlichen Stellvertreter einen Urlaub, und dieser versprach ihm, am 15. September zurück zu sein. Von Seiner Eminenz benachrichtigt, traf Monsieur de Treville Anstalten zur Reise, und da er, ohne die Ursache zu kennen, von dem lebhaften Verlangen seiner Freunde, nach Paris zurückzukehren, wußte, so schlug er sie zur Teilnahme an der Eskorte vor. Die vier jungen Leute erfuhren die Neuigkeit eine Viertelstunde nach Monsieur de Treville, denn sie waren die ersten, denen er sie mitteilte. Jetzt erst wußte d’Artagnan die Gunst recht zu schätzen, die ihm der Kardinal dadurch gewährt hatte, daß er ihn zu den Musketieren übertreten ließ. Ohne diesen Umstand hätte er im Lager zurückbleiben müssen, während seine Freunde abreisten.
Aramis hatte an Marie Michon, die Näherin von Tours, geschrieben, sie möchte von der
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