Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
lebenslänglichem Gefängnis. O, ich weiß, was ich sage!« rief sie und unterbrach ihn mit einer kalten Handbewegung, als er sprechen wollte. »Ich habe nicht so sehr weit von Paris gelebt und bin über alle Vorgänge unterrichtet. Der König haßt Fouquet und wird ihn vernichten, sobald er Grund dazu hat. Und ihm diesen Grund in die Hände zu geben, mache ich mich anheischig gegen Zahlung von 500 000 Livres.«
»Ich verstehe,« antwortete Colbert. »Da Sie einenVerkaufspreis festsetzen, so spezifizieren Sie bitte auch die Ware.« – »Sechs Briefe von Herrn Mazarin, aus denen unwiderleglich hervorgeht, daß der Kardinal zusammen mit Herrn Fouquet den Staatsschatz um 13 Millionen Livres betrogen hat. Wollen Sie lesen?« – »Gern. Sie geben mir wahrscheinlich nur die Abschriften?« – »Selbstverständlich,« antwortete die Herzogin und zog ein Päckchen aus dem Busen. Colbert entfaltete die Briefe, las und rief: »Vortrefflich! Aber es ist hierin nicht gesagt, um welches Geld im besondern –« – »Ah,« antwortete die Herzogin, »wenn wir einig sind, so werde ich diesen sechs Briefen noch einen siebenten hinzufügen, der die letzten Aufschlüsse gibt. Ist es abgemacht?« – »Sofern Sie Ihre Forderung ermäßigen–«
»Wie, Sie feilschen?« – »Weil mir daran liegt, redlich zu bezahlen. Ich zahle in bar – aber nur 200 000 Livres.«
Frau von Chevreuse lachte ihm gerade ins Gesicht. Dann schien sie sich eines andern zu besinnen. »Warten Sie! ein Vorschlag,« sagte sie. »Geben Sie mir 300 000, und ich will damit zufrieden sein, wenn Sie mir außerdem noch –« – »O, es ist nicht davon zu reden, Herzogin,« fiel Colbert ihr ins Wort. – »Beruhigen Sie sich, ich will ja kein Geld weiter, sondern nur einen Empfehlungsbrief an die Königin-Mutter.« – »Madame, Ihr Name hat bei Hofe keinen guten Klang – es könnte mich kompromittieren.« – »Mein Name soll auch gar nicht genannt werden, Herr Intendant,« antwortete die Chevreuse. »Ich will von Ihnen nur ein paar befürwortende Zeilen für eine Bettelnonne aus Brügge, die Ihrer Majestät ein Heilmittel gegen den Brustkrebs geben kann, an dem sie hinsiecht. Das wird Ihrem Renommeenichts schaden. Im Gegenteil, mir eine Zusammenkunft mit der Königin-Mutter ermöglichen, heißt sie vom Tode erlösen.«
»Hinter Ihrer großen Liebe für Anna von Oesterreich steckt doch wohl auch ein kleines persönliches Interesse«, sagte Colbert. – »Verhehle ich das?« versetzte sie. »Ich will von Ihnen nur 300 000 Livres, weil ich hoffe, daß Anna von Oesterreich mir für mein Heilmittel 200 000 geben wird. So kommen die 500 000 zusammen, die ich für meine Briefe haben will.« – »Gut, Frau Herzogin,« stimmte der Intendant bei, »ich werde die Ehre haben, Ihnen 100 000 Taler auszuzahlen. Wie aber erhalte ich die Originalbriefe?« – »Sie können Sie sofort haben gegen Ihre Gutschrift auf diese Summe.«
Colbert schrieb eine Anweisung und reichte sie der Herzogin. »Da!« sagte er, »Sie sind bezahlt.« – Sie machte eine leichte Verneigung, griff in den Busen, und sagte: »Hier sind die Papiere!«
Colberts dicke schwarze Brauen stiegen an seiner Stirn auf und ab wie zwei Fledermausflügel. Er lachte düster, und Herr Colbert lachte fast nie. Madame von Chevreuse lachte ebenfalls. Sie war zufrieden mit dem Geschäft, erhielt das ausbedungene Empfehlungsschreiben und nahm Abschied, um alsbald zu Hofe zu fahren.
Anna von Oesterreich war sehr krank geworden. Sie hatte an diesem Abend vergebens auf den König gewartet und befand sich in sehr schlechter Stimmung. Frau von Motteville und die spanische Amme Molina bemühten sich umsonst, sie zu erheitern. Das Wetter am Hofe deutete auf einen Sturm. Auf den Korridoren und in den Vorzimmern wichen die Höflinge und Ehrendamen einander aus, um nicht in ein Gespräch gefährlicher Art hineingezogenzu werden. Die drei Frauen machten in heuchlerischen Redensarten – denn keine wagte ohne Hehl zu sprechen – ihrer Verstimmung über die Lavallière Luft.
»O, diese Kinder!« seufzte die Königin-Mutter. »Habe ich ihnen nicht alles geopfert?!« Und sie hob die Augen zu dem blassen Porträt Ludwigs XIII. empor. Ein tiefes Schweigen folgte auf diese Worte. Dann sagte die spanische Amme: »Majestät, es ist die Stunde, da die Bettelnonne aus Brügge empfangen werden sollte, welche vorgibt, ein Heilmittel für Ihr Leiden zu besitzen.« – »Ist sie da?« – »Sie wartet draußen.« – »Gut, ich bin
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