Die drei Musketiere Trilogie 03 - Zehn Jahre später
gestohlenen Schinken, verstanden?« – Dabei legte er auf die Schulter des Königs eine so schwere Faust, daß die Majestät fast in die Knie gesunken wäre. Ludwig erkannte, daß er wehrlos sei und sich in den Willen dieses gewalttätigen Menschen fügen müsse. Er schüttelte den Kopf.
»Ich scheine da in die Hände zweier Mörder gefallen zu sein,« sprach er. »Vorwärts!« – Sie durchschritten nun einen langen Korridor, der viele Windungen machte und unzählige versteckte Türen und Treppenstufen hatte. Alle Schlösser öffnete der Mann mit der Lampe, der einen großen Schlüsselbund am Gürtel trug. Bei einer letzten Tür gab der riesenhafte Mann Ludwig einen Stoß in den Rücken und schob ihn so ins Freie hinaus.
»Wagen Sie es, mich zu schlagen?« murmelte Ludwig. »Was tun Sie mit dem König von Frankreich?« – »Vergessen Sie diesen Titel!« sagte der Mann mit derLampe. – »Man sollte Sie aufs Rad flechten,« brummte der Hüne, »weil Sie die Frechheit haben, sich König zu nennen, aber Ludwig XIV. ist barmherzig.« – Der Monarch begriff nicht. Doch im nächsten Moment hatten die beiden ihn in eine Kutsche gesetzt, der Mann mit der Lampe stieg zu ihm, der Riese kletterte auf den Bock, und der Wagen fuhr davon. Nach einer Weile machte man halt und spannte neue Pferde ein. Dann ging es weiter, und als der König nach einigen Stunden zum Fenster hinausspähte, sah er, daß der Tag graute und die Kutsche in Paris einfuhr. Gleich darauf wurde ein großes Tor passiert, in dem Ludwig zu seinem Schrecken das Hauptportal der Bastille erkannte. Sein Begleiter sprach an allen Posten und Barrieren nur die Worte: »Im Namen des Königs!« und nach einer Weile hielt der Wagen an, und die Stentorstimme des Mannes auf dem Bock rief: »Weckt den Gouverneur!«
Baisemeaux erschien im Nachtgewande an der Schwelle seiner Tür. »Was gibt es denn?« rief er, »und wen bringt man mir da?« – Der Mann mit der Lampe öffnete den Kutschenschlag und sprach ein paar Worte mit dem auf dem Bocke. Der stieg herab, nahm ein Gewehr zur Hand, das er unterm Mantel trug, und richtete die Mündung, den Hahn spannend, auf die Brust des Gefangenen. – »Sobald er nur ein Wort spricht,« sagte der Mann mit der Lampe ganz laut, »schießen Sie.« – »Gut,« sagte der andere, ohne sich zu bedenken.
Darauf schritt der Mann mit der Lampe zu dem Gouverneur. »Herr d'Herblay!« rief dieser. – »Still!« unterbrach Aramis ihn. »Gehen wir auf Ihr Zimmer!« – »O, mein Gott!« flüsterte Baisemeaux, »was führt Sie denn zu dieser Stunde hierher?« – »Ein Irrtum,lieber Baisemeaux,« antwortete der Bischof. »Sie scheinen neulich, was jenen Freilassungsbefehl für Marchiali betrifft, recht gehabt zu haben.« – »Was? Ich habe doch gleich daran gezweifelt, nur daß Sie mich dann gezwungen haben, Marchiali doch ziehen zu lassen!« rief Baisemeaux. – »Gezwungen?« erwiderte Aramis. »O, welches häßliche Wort gebrauchen Sie da, lieber Freund? Bewogen, wollen wir sagen. Ich habe Sie bewogen, Marchiali trotzdem freizugeben. Nun, es war ein Irrtum. Man hat ihn im Ministerium eingesehen, und ich bringe Ihnen nun einen Freilassungsbefehl für den armen Kerl, den Seldon. Hier, lesen Sie selbst!«
»Meiner Treu,« rief der Gouverneur. »Das ist derselbe Befehl, den ich damals gesehen habe. Ich erkenne ihn an diesem Tintenklecks wieder. Und was ist mit Marchiali?« – »Den bringe ich zurück.« – »Das genügt mir aber nicht,« versetzte der Gouverneur. »Ich muß zu seiner Wiederaufnahme auch einen Befehl haben.« – »Schwatzen Sie keinen Unsinn!« entgegnete Aramis. »Sie haben ja gar keinen Befehl erhalten, ihn freizulassen.« – »Aber erlauben Sie!« rief Baissemeaux und nahm aus seinem Schreibtisch die damals von Aramis untergeschobene, auf Marchiali lautende Order. D'Herblay ergriff das Papier, zerriß es und verbrannte die Fetzen an der Lampe. »So, nun haben Sie keinen Befehl mehr. Höchst einfach!« setzte er hinzu. »Ich bringe Marchiali wieder, und alles ist so, als wäre er überhaupt nie hinausgekommen. Sie geben mir jenen Seldon, und die ganze Geschichte ist abgetan.«
»Aber weshalb soll denn Marchiali wieder her?« fragte Baisemeaux, der nichts von dem allen begriff. – Aramis näherte die Lippen seinem Ohre und antwortete:»Sie wissen ja von jener großen Aehnlichkeit. Nun, sobald Marchiali frei war, rühmte er sich dieser Aehnlichkeit und behauptete ganz keck, er sei der König von Frankreich. Er kleidete
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