Die drei Musketiere
ergriff die Flucht. Allein der Boden war feucht, als sie oben an der Böschung ankam, glitt sie aus und sank auf ihre Knie. Es stieg ihr zweifelsohne ein abergläubischer Gedanke auf. Sie fühlte, daß ihr der Himmel seinen Beistand verweigere, und verharrte in der Stellung, in der sie sich befand, das Haupt geneigt und die Hände fest geschlossen. Nun sah man vom andern Ufer, wie der Henker langsam seine Arme erhob, und wie sich ein Strahl des Mondes auf der breiten Klinge seines Schwertes abspiegelte. Die zwei Arme fielen nieder, man vernahm das Sausen der Klinge, und unter dem Streiche zuckte eine verstümmelte Masse. Hierauf nahm der Henker seinen roten Mantel ab, legte den Körper darauf, fügte den Kopf hinzu, knüpfte den Mantel an den vier Enden zusammen, lud ihn auf seine Schultern und stieg wieder in den Kahn. Als das Schiff in die Mitte der Lys kam, hielt er an, hob seine Last empor und sprach mit lauter Stimme: »Lasset Gottes Gerechtigkeit walten!« Sonach versenkte er den Leichnam in die Tiefe des Wassers.
Eine Botschaft vom Kardinal.
Drei Tage darauf befanden sich die vier Musketiere wieder in Paris. Sie waren in den Grenzen ihres Urlaubs geblieben, und statteten noch an demselben Abend Herrn von Tréville ihren Besuch ab. »Nun, meine Herren,« fragte sie der würdige Kapitän, »habt Ihr Euch bei Eurem Ausflug gut unterhalten?«
»Vortrefflich,« antwortete Athos in seinem und im Namen seiner Freunde. Am sechsten des nächsten Monats verließ der König, seinem Versprechen gemäß, das er hinsichtlich seiner Rückkehr nach La Rochelle dem Kardinal gemacht hatte, die Stadt Paris, noch ganz betäubt von der Kunde, die sich über Buckinghams Ermordung verbreitet hatte. Obschon die Königin von der Gefahr wußte, die ihrem Günstling drohte, so glaubte sie doch nicht an die Nachricht seines Todes, und erklärte sie für falsch, da er ihr kurz zuvor noch geschrieben hatte. Allein am folgenden Tage mußte sie wohl dieser Nachricht Glauben beimessen. Laporte wurde, wie alle Menschen in England, auf den Befehl des Königs Karl I. zurückgehalten, und kam als Überbringer des letzten traurigen Geschenks an, das Buckingham der Königin zusandte. Der König war über die Botschaft ungemein erfreut. Er suchte nicht einmal die Freude zu verbergen, sondern äußerte sich sogar absichtlichin Gegenwart der Königin; denn Ludwig XIII. gebrach es an Edelmut. Doch bald darauf ward der König wieder düster und übelgelaunt. Seine Stirn ließ sich nie auf längere Zeit aufheitern. Er fühlte wohl, daß er sich wieder in seine Sklaverei begab, wenn er in das Lager zurückkehrte, und dennoch reiste er dahin ab. Auch war die Rückkehr nach La Rochelle ungemein trübselig. Insbesondere setzten unsere Freunde ihre Waffengefährten in Erstaunen. Sie ritten eng nebeneinander, düsteren Blickes und gesenkten Hauptes. Athos allein hob von Zeit zu Zeit seine breite Stirn, ein Blitz funkelte in seinen Augen, ein bitteres Lächeln schwebte über seine Lippen hin, und er versank abermals, wie seine drei Freunde, in seine finsteren Traumgedanken. Wenn die Eskorte in einer Stadt anlangte, begaben sich die vier Freunde, sobald sie den König nach seiner Wohnung begleitet hatten, entweder in ihre Quartiere, oder zogen sich in eine abgelegene Herberge zurück, wo sie weder spielten noch auch zechten, sondern sich leise unterredeten und dabei herumspähten, ob sie niemand belausche. Als der König eines Tages anhielt, um Elstern zu beizen, und die vier Freunde, statt der Jagd beizuwohnen, wie gewöhnlich in einer Schänke an der Landstraße saßen, kam ein Mann von La Rochelle mit verhängten Zügeln herangesprengt, hielt vor der Tür, um ein Glas Wein zu trinken, und blickte in das Innere der Stube, wo die vier Musketiere saßen. »Hallo, Herr d'Artagnan!« rief er, »seid Ihr es nicht, den ich dort sitzen sehe?« D'Artagnan sah empor und erhob ein Jubelgeschrei. Der Unbekannte, der ihm zurief, war sein Gespenst, jener Fremde von Meung, von der Gasse Fossoyeurs und von Arras. D'Artagnan entblößte den Degen und stürzte nach der Tür. Doch der Unbekannte sprang, statt zu entfliehen, vom Pferde herab und schritt d'Artagnan entgegen, »Ha, mein Herr,« rief der junge Mann, »endlich treffe ich Euch, und diesmal werdet Ihr mir nicht entkommen.«
»Das ist auch diesmal gar nicht meine Absicht, indem ich Euch selber aufsuchte. Ich verhafte Euch in des Königs Namen.«
»Wie, was sprecht Ihr da?« sagte d'Artagnan. »Ihr habt mir Euren
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