Die drei Schmiede ihres Schicksals
gehalten, wie etwa jemand im Schlafe einen Arm über den Kopf emporlangt. Dann aber hatte sie ihn wieder sinken lassen und war unbeweglich wie früher. Nur die Füße hielt sie nicht mehr gegen das Feuer, sondern auf den Teppich gestellt. Sie waren ebenfalls schneeweiß.
Wie lange die Erscheinung schon dauerte, konnte Erwin nicht ermessen; denn ihm war alles Zeitmaß verloren gegangen. Nur eine Tätigkeit war ihm geblieben, die der Augen. Unverwandt und bezaubert mußte er sie immer hin heften, und den drängenden Atem ließ er so leise strömen, daß er ihn selbst nicht einmal hören konnte. Bald war ihm, die Gestalt rege sich, bald, sie sei starr - endlich regte sie sich in der Tat. Unheimlich langsam, wie ein Totes oder Träumendes, richtete sie sich auf, wendete sich mechanisch um, schritt nebelhaft gleichmäßig gegen das Bett, beugte sich und legte sich hinein. Nur im Momente des Niederlegens hatte er ein kurzes leises Seufzen gehört, wie von menschlichen Lippen - dann aber folgte bald das regelmäßige tiefe Atmen eines ruhig Schlafenden.
So schmal sich nur immer ein ohnehin sehr schlanker Mann machen konnte, so schmal hatte er sich in dem Augenblicke gemacht, als sich die Erscheinung zum Niederlegen anschickte, wie ein Schilfrohr lag er an der Wand, und keine Fieber an ihm regte sich. Fast wollte ihn wieder die eisige Hand des Entsetzens packen, wenn er sich die seit achthundert Jahren modernde Schönheit bei sich im Bette dachte, aber da er das gesunde Atmen hörte, und da ihm war, als fließe sanfte Lebenswärme von der Gestalt zu ihm, so war nun sein Erstaunen noch größer, als früher sein Entsetzen gewesen war. Eine Zeit lang rührte er sich noch nicht, dann aber ganz behutsam und sachte, daß nichts knistere, drehte er den Kopf herum (er hatte nämlich früher das Gesicht gegen die Wand gekehrt) - aber er sah nichts, als seine weiße Wäsche, die über eine menschliche Gestalt gedeckt schien. Das halb weggewendete Angesicht der Gestalt konnte er nicht sehen, weil eine sehr große Krause einer Nachthaube davor empor stand. Daß es nur ein Weib sei, schloß er, aber sein Zustand war um nicht viel besser, als wenn es ein Gespenst gewesen wäre. Bloß des einen war er sicher, daß ihm das Weib nicht gegen seinen Willen den Hals umdrehen könne, das andere war alles ängstlich genug.
Wieder eine Weile war er ruhig - dann wagte er es, den Kopf auch ein wenig zu heben, um über die obere Kante der Krause auf das Gesicht niederblicken zu können. Auch diese Operation gelang. Halb schwebend hielt er so den Oberleib gehoben und sah auf die ruhigen schlummernden Züge einer jungen schönen Dame nieder. Ja sie war fast außerordentlich schön. Eine weiße sanfte Stirne, darunter die zwei großen geschlossenen Augenlider mit langen Wimpern, seine stolzen Wangen, vom Schlafe leicht gerötet. Seine Angst erreichte den höchsten Gipfel, aber gerade in ihr gab ihm der Himmel einen Gedanken ein, für den er ihm inbrünstig dankte, nämlich, sich leise emporzurichten, mit äußerster Vorsicht über sie hinaus zu steigen, seine Kleider zu nehmen und in den Garten zu entfliehen. "Wenn nur die Tür einmal offen ist", dachte er, "zumachen wolle er sie dann gar nicht mehr." Da das Atmen der Gestalt so sanft und gleichmäßig fort ging, machte er sich an sein Werk. Langsam und mit der gemessensten Behutsamkeit richtete er sich in die Lage empor, die er brauchte - schwebend prüfte er die Breite des Bettes - plötzlich geschah, da die Nacht doch kalt war, wieder durch das noch offene Fenster ein so eisiger Windzug, wie der, welcher ihn aufgeweckt haben mochte - die Gestalt mußte ihn auch verspürt haben; denn sie tat einen tiefen unterbrechenden Atemzug, und griff mit den Händen mechanisch nach der Decke, die sie über sich zog. Erwin war indessen, wie ein in die Luft geheftetes Marterbild, starr geblieben und gelobte sich innerlich heilig, wenn er je wieder in einem fremden Zimmer schlafe, stets das Bett von der Wand zu rücken, damit man an allen Seiten hinaus könne. Endlich atmete die Gestalt wieder gleichmäßig weiter, und er ging an die Fortsetzung seines Werkes. Aber ruhig muß ihr Schlaf nicht gewesen sein, oder dichtete es ihm seine Angst vor: jeden Augenblick regte sie sich, und jeden Augenblick mußte er inne halten.
Endlich war er so weit, daß nur noch das Aufstellen des einen Fußes auf die jenseitige Bettkante und der leichte Sprung nötig war, vor dem er sich, seiner Gelenkigkeit bewußt, gar nicht
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