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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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fürchtete. Aber eben, wie er so halb über sie gebeugt hing, wie einer, der die Schlafende entzückt bewundert, was aber bei ihm, weiß Gott, durchaus nicht der Fall war - eben in dem Augenblicke öffnete sie die Augen und starrte ihn, aber gleichsam mit erloschener Sehkraft an. In dieser Sekunde tat er das Törichteste, was er zu tun vermochte: er plumpte nämlich mit eins in seine vorige Lage zurück - im Momente belebten sich ihre Augen zum völligen Sehen, und mit dem Schrei: "Nichtswürdiger Mensch!" sprang sie aus dem Bette heraus, und "Rosa, Rosa?" rufend eilte sie gegen den Kamin - hier aber hielt sie plötzlich, wie von einem Schlage betäubt, an, tat einen gellenden Schrei, schlug ihre beiden Hände vor die Augen und stürzte auf die Knie nieder.
    Erwin war eben so schnell aus dem Bette, warf seinen Rock über und wollte ihr beistehen. Aber er wußte nicht, wie es anzufangen sei, und sah bloß einen Augenblick hin, und da war es ihm, als zittere es innerhalb der weißen Hüllen heftig, wie wenn ein ganzer erschütterter Organismus bebt. In ungeschickter Güte nahm er sie bei dem Arme, aber sie riß ihn weg und rief leise: "Nur fort, fort!" Das war ihm das Liebste, er raffte alles, was sein war, zusammen, und näherte sich der Tür. Aber in dem Augenblicke fühlte er sich wieder ergriffen und hörte die Worte: "Verlassen Sie mich nicht - wie können Sie mich denn verlassen?" Diese Worte waren in jenem Tone gesagt, den man, wenn es erlaubt wäre, flüsterndes Schreien nennen könnte, und der Ton, ob er ihn gleich nie gehört hatte, kündete ihm ihre furchtbare Gemütsbewegung an. Die Seele hat einen Instinkt, die Leiden einer andern Seele zu fühlen - und dieser Instinkt gab ihm Geschicklichkeit zu handeln. Er wendete sich an der Türe um. "lch will Ihnen helfen", sagte er, "ich will alles tun, was in der Kraft eines Menschen ist. Sie haben sich in dem Zimmer geirrt, ich will Sie auf das ihrige geleiten -" in dem Momente fuhr ihm der Gedanke durch den Kopf, daß er ja gestern den Nachtriegel vorgeschoben, er tat einen plötzlichen scheuen Blick auf die Tür - es war richtig - der Riegel steckte noch, wie er ihn vorgeschoben, - es war nun kein anderer Weg herein gewesen, als das offene Fenster. - Sie war angstvoll seinen Blicken gefolgt, und mit leisem Händeringen hatte sie die Worte geächzt: "Ach Gott! ach Gott!"
    "Seien Sie ruhig, seien Sie ruhig!" sagte er.
    "Ich kann nicht ruhig sein", antwortete sie, "ich kann nicht ruhig sein - Mann! wer sind Sie denn?"
    "Ich bin Erwin Alan, der Freund des Schloßherrn."
    "Ach es ist entsetzlich", sagte sie, gleichsam, als hätte sie seine Worte ganz überhört, "es ist entsetzlich -" und händeringend ging sie im Zimmer herum. Dann, als wollte sie sich gewaltsam sammeln, setzte sie sich wieder auf den Stuhl, der noch vor dem Kamine stand, drückte ihr Gesicht verzweiflungsvoll in die Hände, und saß gebeugt da. Er stand neben ihr, aber da sich ihre Stellung Minute nach Minute nicht änderte, so nahm er sich wieder den Mut, sie anzureden. "Fassen Sie sich, fassen Sie sich."
    Sie sprang wieder auf, wollte vorwärts, wollte rückwärts, wußte selbst nicht, was sie wollte. Sie nahm ihn bei der Hand, und drückte sie so heftig, wie wenn man mit Angst etwas erflehen will, oder wie man einen Retter anfaßt. Er war auch ganz verloren, und wußte nicht was und wie; er nahm ihre andere Hand, er wäre bald vor ihr niedergekniet, wie man betet, aber dann erschien es ihm töricht - und er rief, fast so angstvoll geworden wie sie: "Ich will Ihnen ja helfen, aus Mitleid und Barmherzigkeit und Menschenliebe will ich Ihnen helfen, so sagen Sie nur, wie ich es kann?"
    "Ach Gott, was werden Sie von mir denken, wenn ich es Ihnen sage - ich bin nun der Großmut eines Mannes verfallen - zum ersten Male meines Lebens bin ich abhängig - ich will keinen einzigen mehr verachten, o Gott, wenn du mir nur aus dieser Lage hilfst! - Aber Sie werden mich verraten, wenn ich es sage, und mich verlachen."
    "Aber nein - nein, so lange ein lebendiger Blutstropfen in mir ist, will ich Sie nicht verraten - so reden Sie nur."
    Sie schlug ihre Augen zweifelnd zu ihm auf, und sah die schönen, ehrlichen, von dem Monde beschienenen Züge.
    "Hören Sie mich", sagte sie leiser und gefaßter, "ich bin Rosalie Fargas. Kein Mensch weiß es, als mein Kammermädchen Rosa, daß ich im Vollmondscheine manchmal herumwandle. Ich weiß nicht, daß ich sonst ans dem Zimmer gegangen bin, aber heute - vielleicht sind

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