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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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breite Simse - Ihr offenes Fenster muß mich gelockt haben, da Ihr innerer Türriegel vor ist - und ach Gott, bei mir ist auch ein solcher von Innen vor."
    "Schläft Rosa in ihrem Zimmer?"
    "Nein, daneben, aber die Tür zwischen beiden ist offen." "Würden Sie auf dem Gange Ihre Zimmertür erkennen?"
    "Ja."
    "So warten Sie ein wenig, ich will auf den Gang hinaustreten, und sehen, ob er frei ist, dann gehen Sie zu Ihrer Türe und klopfen leise, bis Sie Rosa hört und hineinläßt."
    "Ach da würde ich eher alle Schläfer dieses Schlosses mit meinem Pochen erwecken als Rosa; denn die schläft so fest, wie sonst kein Mensch, und auch, wenn sie erwachte, so würde sie, ehe sie öffnete, ein Gespräch anheben wollen, um sich zu überzeugen, daß ich es sei."
    "Sie haben Recht, es darf Sie kein Mensch erblicken, hier bleiben können Sie auch nicht, sonst vermißt Sie Rosa und macht Lärm; wo schläft denn Ihr Vater, ich will ihn wecken."
    "Ich weiß es nicht - aber es nützt auch nichts, weil Sie anklopfen müßten, und er von innen noch mehr Lärm machen würde."
    "Es nützt auch nichts - es nützt nichts", sagte Erwin und sah sie ratlos an. Plötzlich aber rief er: "Ha, mir kommt ein Gedanke, der alles löset." Hierbei war er an das Fenster gesprungen. Sie war ihm gefolgt. "Wo liegt Ihr Zimmer?"
    "Es muß das über die Ecke hinüber sein, wo das Fenster offen ist; denn alle andern sind zu, wo wäre ich denn sonst heraus gekommen?"
    ..Ich springe hinüber", sagte Erwin, "öffne leise Ihren Riegel und Sie gehen hinein."
    "Um Gotteswillen nein", flüsterte sie bestürzt, "in diesem Abgrunde zerschmettern Sie sich - da kann ja kein Mensch hinüber." Und in der Angst hatte sie ihn mit beiden Armen umschlungen, als springe er bereits hinaus.
    "Ich kann es, ich kann es", erwiderte er, "Ihnen zu Liebe kann ich es", sagte er wiederholt, indem er die weichen Arme, von derlei er zum ersten Male in seinem Leben umschlungen war, aufzulösen strebte, und bemüht war, die sanfte Schulter, die er gefaßt, von sich wegzudrücken.
    "Springen Sie nicht", flehte sie, "ich stürbe, wenn Sie hinunter fielen."
    "Ich falle aber nicht hinunter", sagte er, "ich falle nicht, lassen Sie mich doch, ich bin mehr geübt, als andere Männer, und kann viel, viel weiter springen, als dieser Raum beträgt."
    Zögernd versuchsweise ließ sie mit zurückgepreßtem Atem von ihm ab - in demselben Momente war seine dunkle Gestalt schon lautlos auf dem Fenstersimse, und im selben Momente auch schon nicht mehr, - mit einem schwachen Schrei war sie zurückgesunken, ihre Sinne flirrten, und sie kämpfte mit einer Ohnmacht, aber doch durch alles hindurch war sich ihre gespannte Seele bewußt geblieben, keinen schweren Fall gehört zu haben. Sie sprang wieder vor, und blickte hinaus, aber auch im andern Fenster war keine Gestalt mehr. Dafür hörte sie ganz leise draußen an dem Türschlosse die Klinke versuchen. Sie ging hin, öffnete den Riegel, und Erwin ging auf den Zehen herein.
    "Gehen Sie nun schnell hinüber, die Tür steht offen", sagte er, "nun ist alles gut."
    "Ewig, ewig dankbar", flüsterte sie, indem sie auf das Innigste seine Hand nahm, "Sie verraten mich nicht."
    "Nein, nie", antwortete er, und sie war hinaus.
    Er schob, so leise, als es nur immer anging, seinen Riegel wieder vor. Dann ging er in die Mitte des Zimmers und atmete beruhigt auf. Drüben hörte er jetzt ein Fenster zumachen – und im Osten blühte ein schwaches, graues Licht auf, der Vorbote des bald kommenden Morgens. Er schloß nun auch sein Fenster und legte sich wieder nieder. Aber er konnte nicht schlafen, weil eine ganze Verwirrung in seinem Kopfe war. Nach einer Weile, da jeder Versuch einzuschlafen mißlungen war, zündete er sich die Kerzen an und nahm wieder das Liebesbuch, aber es war einmal zu toll, was drinnen stand. Er mußte es auch wieder weglegen. Später ging er an das Fenster, um zu sehen, ob das von Rosaliens Zimmer zu sei. Es war zu, und der Mond war jenseits der Dächer getreten, so daß jetzt alles vor ihm im Schatten lag, und nur der Kiesweg an den Ställen ein wenig beleuchtet schimmerte. Erst gegen Morgen, da es Aufstehens Zeit war, wäre er wieder eingeschlafen, wenn es nicht in den Gängen laut geworden und so hin und her gepoltert wäre, daß er endlich resigniert aufstand, sich ankleidete und zu Leander hinunterging. Dieser aber war bereits in dem Versammlungssaale, wo, wie ein Diener sagte, eben die Gesellschaft zum Frühstücke zusammenkomme. Erwin,

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