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Die drei Schmiede ihres Schicksals

Die drei Schmiede ihres Schicksals

Titel: Die drei Schmiede ihres Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adalbert Stifter
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einmal in dieses Haus gelangt, wollte nun mit seinem grauen Rocke trotzen und ging auch in den Saal, Leander trat augenblicklich auf ihn zu, führte ihn mit ausnehmender Auszeichnung gegen die Mitte des Saales hin und stellte ihn der ganzen Gesellschaft als Erwin Alan von Alansford, seinen ersten und teuersten Jugendfreund, vor, der, auf einer großen Fußreise begriffen, erst gestern in der Nachbarschaft seine Einladung zur Hochzeit nachgeschickt bekommen und ihm die Freude bereitet habe, ihn mit seiner Gegenwart zu überraschen. Bei einigen schwand, als der altbekannte Rittername genannt wurde, sogleich das Bedenken hinsichtlich des groben grauen Rockes weg, andere aber sahen nun gerade noch begieriger auf ihn hin, weil sich der Ruf des verrückten Güterherrn bereits bis zu ihren Ohren verbreitet hatte, und wieder andere hatten ein gemischtes Gefühl von Schadenfreude, weil sie doch die leise Verlegenheit gewahr wurden, die sich in Leanders Bewegungen zeigte.
    Vorne am Fenster in einem tiefen breiten Rollsessel saß Rosalie Fargas und war heute besonders blaß.
    Es erhoben sich Gespräche über dies und das. Man reichte Tee, Kaffee und anderes herum. Erwin ging zum Erstaunen aller zu einer Milchkanne hin, leerte sie beinahe ganz in ein Glas, tat etwas Wasser dazu und trank den Inhalt aus. Dann aß er ein Stück Milchbrot. In dem Augenblicke tat ein altes Damengesicht die unglückselige Frage: "Herr Baron, Sie haben ja im Zimmer der weißen Frau' geschlafen - ist sie Ihnen nicht erschienen?"
    "Nein", sagte Erwin kurz, ward aber rot.
    "Das wäre mir an des Herrn Baron Stelle leid gewesen", fragte ein alter Knasterbart, "ich war von jeher ein großer Liebhaber von Erscheinungen weißer Frauen." Und belachte tüchtig seinen eigenen Witz.
    "Ja wenn sie von Fleisch und Blut waren", sagte ein anderer.
    "Anderweitige, Herr Kamerad, gibt es ja nicht", entgegnete der Knasterbart, "ich bin in aller Herren Ländern gewesen, und habe niemals derlei Schnarrwerk angetroffen."
    "Unbedingt sind diese Sachen doch nicht abzusprechen", sagte ein Dritter.
    Und ein Vierter leugnete, und ein Fünfter bejahte die Gespenster, und es entstand eine kurze Debatte über diesen Gegenstand, allein sie mußte aus dem Grunde hohl und unfruchtbar bleiben, weil kein einziger in der ganzen Gesellschaft war, dem je ein Gespenst erschienen wäre - sie lachten sich bereits gegenseitig aus, als mit großem Ernste und schüchtern sich der Haushofmeister geltend zu machen suchte und vortrat: "Wenn die gnädigen Herrschaften erlauben", hub er an, "so könnte ich da Auskunft geben, ich habe ein Gespenst gesehen."
    "Ja das Weingespenst in der Flasche", sagte der Knasterbart.
    "Vergönnen, Herr Oberst", erwiderte der Haushofmeister, "ein anderes Gespenst."
    "Nun also welches? wann?"
    "Ich habe heute nacht die 'weiße Frau' des Hauses gesehen."
    "Die weiße Frau?!" riefen alle.
    "Ja, heute um zwei Uhr nachts. Ich stand zeitlich auf, um die Teppiche im Speisesaale und dann die im Gartensalon legen zu lassen, wo das Vesperbrot sein wird - und da ging ich in den obern Gang, um Sebastian zu wecken - da sah ich mit diesen Augen - deutlich sah ich die 'weiße Frau' schweben. Sie kam aus des Herrn Baron Alan Zimmer und verschwand auf Nr. 23, wo Baronesse Fargas schliefen."
    Ein erschrocknes Schweigen herrschte nach diesen Worten im ganzen Saale. Manche Augen richteten sich auf Rosalien, die nun ihrerseits flammend rot im Sessel saß - hilflos gegen dieses zweideutige Schweigen.
    In dem Augenblicke trat der Vater Rosaliens mit dem heitersten Gesichte ein und entschuldigte sich, daß er so spät erscheine, seit Jahren habe er nicht so gut und lange geschlafen.
    "Das ist ein Glück für den", flüsterte eine Stimme, "daß er so lange geschlafen."
    Rosalie wiegte sich vorne in ihrem Sessel, um gleichgültig zu scheinen. Leander schickte den Haushofmeister mit einem Geschäfte ab und verlangte den Rapport darüber nach einer halben Stunde im Schreibzimmer - einige machten sich mit Kaffeegeschirren zu tun, andere fragten nach dem Barorneterstande - die Damen bewunderten da ein Armband, dort ein Dosengemälde - der alte Fargas verlangte in seiner jovialen Weise eine oder etliche Flaschen in den blauen Gartenpavilion, es würden sich schon Gesellen zu ihm finden, die ein solches Frühstück jedem andern vorzögen - und so war das ganze Geistergespräch in andere gleichgültige Dinge übergegangen. Auch zerstreute sich die Gesellschaft bald, um die Zeit bis zur Vermählung

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