Die drei Schmiede ihres Schicksals
durch Herumschlendern, Putzen, oder, wie der alte Ritter, durch Trinken hin zu bringen. Leander hatte seinen Staatswagen mit sechs milchweißen Pferden bespannen lassen, urn in eigener Person Evelinen entgegen zu fahren, die um zwei Uhr mit ihrer Begleitung in Schloß Turun eintreffen sollte. Manche andere Wagen hatten sich angeschlossen. Auch Reiter waren fortgesprengt, um der schönen neuen Herrin bei ihrem Einzuge das Geleite zu geben. Dennoch war es im Schlosse, als sei um keinen einzigen weniger; auf jeder Treppe, in jedem Gange, auf jedem Gartenplatze und in jedem Hofe begegnete Erwin Einzelnen und Gruppen. Die aus der nächsten Nachbarschaft kamen erst heute an, und die die älteren Gäste erzählten ihnen heimliche Geschichten.
Erwin ging in sein Zimmer, dann ging er in den Garten, dann besah er die Kirche des Schlosses, die schon prachtvoll dekoriert war, dann ging er wieder in sein Zimmer - und dann wieder durch die Gänge - eine unbestimmte Wut kochte in ihm. Man hatte, durch die feine Sitte höherer Stände geleitet und aus Hochachtung vor dem Wirte des Hauses, nicht mit dem leisesten Worte, nicht mit der mindesten beziehenden Miene mehr an die beim Frühstücke erzählte Geschichte erinnert, aber dafür wehte durch das ganze Schloß jenes feine, unsichtbare, ungreifbare Gift schnöder Meinung, das sich in naturrohe Herzen, wie Erwins, fürchterlicher einfrißt als Schwerter und Kanonen. Es wisperte hier - es fisperte dort - und nirgends war etwas. Und alle hatten sie lächelnde Gesichter, und alle waren sie ausnehmend höflich - und als gegen Mittag, da eben die größte Hitze über dem Schlosse stand, ein unsäglich freundlicher Herr die Mitteltreppe hinan stieg und im ganzen Gesichte über und über glänzend Erwin grüßte, so packte ihn dieser beim Kragen und schleuderte ihn die einigen Stufen abwärts, die er gekommen, daß ihm Hut und Stab entflogen - und da Erwin dies getan, so war ihm unendlich leichter, und er war zum ersten Male in diesem Schlosse von Grund aus mit sich zufrieden. Der Herr hatte unten Hut und Stock aufgerafft und nur noch gesagt: "Wir werden uns sehen, Herr Baron, wir werden uns sehen", und dann war er verschwunden.
Erwin blieb auf der Treppe stehen. Von Rosalien wußte er gar nichts. Er suchte sie nicht, und fragen durfte er nicht. Hätte er aber gewußt, was sich kurz vorher mit ihr zugetragen und die Heiterkeit des Schlosses nicht wenig vermehrt hatte, er würde sich über seine Tat, sei's nun an einem Schuldigen oder Unschuldigen, noch weit mehr erfreut haben, als er ohnehin tat. Man hatte nämlich Rosalien im Garten im dicksten Gebüsche ihrem Vater an der Brust liegen gesehen, worauf der Ritter mit donnernder Stimme nach seinen Leuten und Pferden rief und zu satteln befahl; denn er wolle augenblicklich mit seiner Tochter nach Hause reiten. Dieses Aufsehen drückte der ganzen Geschichte erst die Krone auf.
Erwin stand noch auf der Treppe, als schon drei Herren zu ihm kamen und ihm eine Einladung auf Degen brachten, augenblicklich zu vollziehen auf dem Fasanenplatz hinter dem Fichtengehege des Parkes.
"Ich komme schon", rief er mit leuchtenden Augen, "laßt nur Schwerter hinbringen, denn ich habe keines - ich kämpfe mit dir auch, und mit dir auch, und sagt nur dem Affen, das ist mir eben recht."
Die andern verbeugten sich ruhig und bedauerten den Menschen, der sich so bloß gebe. Erwin aber begab sich sogleich auf den Weg zu dem Fasanenplatze, der ihm heute morgens bekannt geworden war. Seine Wanderung führte ihn an dem blauen Gartenpavillon vorüber, wo noch die Flaschen standen, an denen der alte Fargas gefrühstückt hatte. Erwin trat hinein, schenkte sich von dem Reste des Weines ein, und stürzte zwei Gläser hinunter. Dann begab er sich auf den Fasanenplatz. Die andern kamen auch, man maß die Degen und machte Stellung.
Die Sache war aber im Schlosse nicht geheim geblieben, man sprach von Beleidigung und Zweikampf, und eben da Rosalie schon zu Pferde saß, um ihre Schmach nach Hause zu flüchten, flüsterte ihr der Stallmeister ihres Vaters die ganze Geschichte zu - auch der Fasanenplatz war genannt worden. Ohne sich im geringsten zu bedenken, flog sie mit ihrem Fuchse durch das Bogengitter auf die Kieswege des Parkes hinaus, dem Fasanenplatze zu. Der Vater und der Reitknecht mit dem gesattelten Handpferde, das er hielt, folgten ihr. Da sie ankam und mit fliegendem Schleier auf den Sandplatz hervorlagte, traf sie den Mann, der ihr heute nacht so bedeutend
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