Die drei Steine der Macht
knurrte er.
Er konnte nun zwar sehen, aber in ihrer jetzigen Position drückte ihm die Brille die Nase zu, so dass er durch sie keine Luft mehr bekam und sich jetzt auch noch anhörte, als hätte er Schnupfen.
„Sie verleiht dir ein weises und würdiges Aussehen“, meinte Anemone, sich vergeblich bemühend nicht zu lachen.
Max sah sie streng mit gerunzelter Stirn an.
„Auf solche Bemerkungen kann ich verzichten, Fräulein!“, sagte er barsch, was sie nur richtig zum Lachen brachte.
Sie standen wieder vor der Bibliothek. Rechts und links von der Treppe saßen Bettler, die sich von den Vorübereilenden und von den Besuchern der Bücherei eine kleine Spende erhofften. Max rückte die Brille zurecht, strich sich ein letztes Mal über die Haare, straffte die Schultern und marschierte los, in der Hoffnung selbstbewusst auszusehen. Sie traten durch die geöffnete Tür in die Kühle der Empfangshalle. Anemone hatte sich bei ihm untergehakt und blickte neugierig in die Runde. Max drehte sich zu Hund um, der ihnen in den Saal gefolgt war, und bat ihn, draußen auf sie zu warten. Max war das Stirnrunzeln der Dame hinter dem Tresen aufgefallen, als Hund mit ihnen durch das Portal gekommen war.
„Ich will nicht draußen warten, hier ist es viel interessanter!“, protestierte Hund.
Die ersten Köpfe drehten sich in ihre Richtung. Anemone machte kurzen Prozess. Sie packte Hund am Kragen und zog ihn vor die Tür.
„Warte hier!“, befahl sie ihm.
Hund knurrte, legte sich aber gehorsam auf die erste Stufe.
„Dafür krieg ich eine Extra-Wurst!“, hörte Max ihn noch maulen.
Anemone kam wieder in die Bibliothek, hakte sich bei Max unter und tat so, als ob nichts gewesen wäre. Die Leute, die sie angestarrt hatten, wandten sich wieder ab, und Mimbelwimbel murmelte:
„Wollen wir?“
Max nickte.
Sie gingen zielstrebig in Richtung Tür, die sie von den Büchern trennte. Die strenge Dame hinter dem Tresen betrachtete sie aufmerksam und sprach sie an, als sie kurz vor ihr waren.
„Guten Tag die Herrschaften, kann ich Ihnen weiterhelfen? Warten Sie auf jemanden, oder ...?“
Sie verzog die Mundwinkel nach oben, was wohl ein Lächeln ergeben sollte. Max blieb stehen.
„Nein, wir möchten in die Bibliothek!“, sagte er mit fester Stimme und ärgerte sich, als er sah, wie die Augenbrauen der Frau in die Höhe wanderten.
Herr Gott, machte er denn einen so blöden Eindruck, dass jeder glaubte, er hätte in einer Bücherei nichts zu suchen?
„Möchten Sie die Bibliothek besichtigen, oder ...?“, bohrte sie weiter.
„Nein, wir suchen nach Informationen über Schifffahrtsrouten“, sagte Max knapp und sah die Empfangsdame unbewegt an.
Diese schien allmählich zu kapieren, dass sie Max verärgert hatte und meinte nun etwas weniger abweisend:
„Da sind Sie hier genau richtig. Wir haben das umfangreichste Kartenarchiv in der Welt. Gehen Sie durch. Einer meiner Kollegen wird Ihnen weiter helfen.“
Sie deutete auf die Tür, und mit einem knappen Nicken folgte Max der Aufforderung weiterzugehen.
„Arrogante Kuh, was denkt die, wer sie ist“, murmelte Mimbelwimbel empört und sprach genau das aus, was Max dachte.
Max machte sich von Anemone los und zog vorsichtig die schwere Tür auf. Leise traten sie ein und schlossen die Tür hinter sich.
Max blieb vor Staunen die Luft weg. Im Augenwinkel sah er, wie Anemone die Hand ehrfurchtsvoll vor den Mund schlug, der ihr aufgeklappt war. Der Saal, in dem sie standen, war sicherlich nicht so groß wie das Handelshaus, aber seine Höhe ließ ihn riesig wirken. Die hohe Decke wurde von dicken Säulen gehalten. Irgendwie wirkte der Raum wie das Innere einer Kirche. Es herrschte Stille, nur unterbrochen von leisem Blätterrascheln und vorsichtigen Schritten auf dem spiegelblanken Marmorfußboden. Leises Kratzen von Federn auf Papier war zu hören und hin und wieder leise gemurmelte Worte.
Hohe Regale waren in regelmäßigen Reihen aufgestellt. Max konnte Bücher mit schweren Ledereinbänden sehen und zusammengerollte Pergamente, die sich in den Regalfächern stapelten. In den breiten Gängen standen Tische und Stühle, an denen vereinzelt jemand über aufgeschlagene Bücher gebeugt saß.
Max wusste nicht, wie lange er schon staunend dagestanden hatte, als ein leises Räuspern ihn zur Seite blicken ließ. Links und rechts neben der Eingangstür standen Pulte. An einigen von ihnen saßen gelehrt aussehende Männer und Frauen, damit beschäftigt, Bücher zu kopieren.
Einer
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