Die drei ??? und der Zauberspiegel
sah...«
Justus erstarrte. »Sie haben ihn nicht erst heute gesehen?«
»Gestern nacht sah ich ihn«, bekannte sie. »Es war spät. Schon sehr spät. Ich hatte gehört, wie Jeff und John im Haus herum-tappten, und als sie wieder zu Bett gegangen waren, konnte ich nicht wieder einschlafen. Dann, sehr lange danach, hörte ich Schritte auf dem Flur. Ich stand auf. Ich wußte, Jeff konnte es nicht sein, denn ich merke es immer genau, wenn Jeffs Tür aufgeht, auch wenn er sie noch so verstohlen öffnet. Ich wußte auch, daß es nicht John war. Johns Schritt kenne ich. Ich zog meinen Bademantel über und ging in die Halle hinunter. Sie war natürlich dunkel, aber nicht so dunkel, daß ich nichts erkennen konnte. Jedenfalls war niemand in der Halle, aber ein Laut war zu hören, ein gräßliches leises Kichern. Es schien aus der Bibliothek zu kommen. Ich ging zur Treppe vor und stieg hinunter, und – nun ja, da sah ich eben das, was Jenny und ich dann heute nachmittag gesehen haben: ein Gesicht. Diese entsetzliche Fratze im Spiegel.«
»In der Bibliothek war es heute nachmittag dunkel, die Vorhänge waren zugezogen«, sagte Justus. »Und gestern nacht muß es erst recht dunkel gewesen sein.«
»Völlig dunkel«, bestätigte Mrs. Darnley. »Und trotzdem sah ich das Gesicht.«
»Großmama, warum hast du es denn nicht erzählt?« wollte Jeff wissen. »Ich war doch hier. Warum hast du es mir nicht gesagt?«
»Weil ich nicht an Gespenster glaube«, erklärte Mrs. Darnley.
»Ich wollte nicht zugeben, daß ich eines gesehen hatte. Aber heute, als auch Jenny es sah, mußte ich es zugeben.«
»Also gut«, sagte Justus. »Ich schlage folgendes vor: wir gehen alle hinauf ins Obergeschoß. Und zwar bald. Jetzt gleich. Haben Sie oben ein Fernsehgerät?« Mrs. Darnley nickte. »Gut. Dann können wir zusammen fernsehen.«
»Alle zusammen?« fragte Jenny.
»Mit einer Ausnahme«, sagte Justus. »Wir schalten in der Halle das Licht aus, und ich setze mich auf die Treppe – dorthin, wo Sie, Mrs. Darnley, heute nachmittag standen, als Sie und Jenny das Gespenst sahen. Vielleicht erscheint Chiavos Geist wieder, wenn es im Haus ruhig ist. Vielleicht können wir verfolgen, auf welche Weise die Erscheinung im Spiegel auftaucht.«
Das war eine gute Idee. Als alle gegessen hatten, stiegen Jenny, Jeff und Mrs. Darnley geräuschvoll die Treppe hinauf. Mrs. Darnley fragte laut, welches Programm Justus am liebsten sehen würde. Und als Mrs. Darnley im oberen Flur das Licht ausknip-ste, bezog Justus seinen Posten auf den Stufen, mit Blick auf die Flügeltür zur Bibliothek.
Vielleicht eine halbe Stunde lang drang kein Laut zu ihm – außer dem Toben des aufziehenden Unwetters und gedämpftem Lachen aus dem Fernsehzimmer. Hin und wieder zuckte ein Blitz herab, und der Donner war einmal in der Nähe zu hören, dann weit weg, und dann wieder ganz nah. Justus harrte aus, ohne sich einen Augenblick der Entspannung zu gönnen.
Dann hörte er unten ein leises Geräusch. Es war so schwach vernehmbar, daß er gar nicht sicher war, ob er überhaupt etwas gehört hatte. Es war ein ganz leises, hohes Stöhnen, vielleicht auch nur ein Quietschen am Haus. War es nun das Gebälk, das nach dem jähen Temperaturabfall ächzte, oder hatte sich da tatsächlich etwas bewegt?
Und da krachte es dumpf!
Justus erschrak. Das war unüberhörbar gewesen. Es hatte laut widergehallt, als hätte jemand etwas fallen lassen – oder als hätte jemand heftig mit dem Fuß aufgestampft.
Doch noch immer sah Justus nichts. Da war nur der Umriß des Türrahmens, ein schwarzes Rechteck in der dunklen Halle. Sonst war da nichts.
Da lachte es unten. Obwohl Justus nicht leicht zu schrecken war, erschauerte er. Das Lachen war gemein, hämisch, fast wie das Lachen eines Irrsinnigen.
Ein grünliches Licht flackerte in der Bibliothek, und jäh – so jäh, daß er zwinkern mußte – erkannte Justus, daß sein Blick durch die offenstehende Tür geradewegs auf den widerlichen Spiegel fiel. Und er sah das Gespenst!
Justus war einen Augenblick starr vor Entsetzen. Dann verschwand die Erscheinung im Spiegelglas, und Justus rieb sich die Augen. Er konnte kaum glauben, daß er sie gesehen hatte.
Das Haar war grau und verfilzt und hing zu beiden Seiten des Gesichts in wirren Strähnen wie feuchter Tang herab. Das Gesicht war kreidebleich, bleich wie der Tod, und es leuchtete wie aus einer unirdischen Quelle. Und die Augen – die Augen waren weit geöffnet: grüne, funkelnde,
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