Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
schriftlich, und
nicht nur an der Tür stehen. In dem Gang gab es drei Türen.
Zwei von ihnen führten auf eine überdachte Galerie um den
Hofgarten herum, die Letzte war eine dunkle Holztür. Sie wäre
am liebsten in den Hofgarten gegangen, doch das Gewitter veranlasste
sie, ihr Zimmer zu suchen. Ein heftiger Donner ließ das Gebäude
erzittern und die Wandlampen erloschen ohne Vorwarnung. Lavinia
ergriff Panik. Der einzige Weg, der ihr blieb, war die geheimnisvolle
Holztür. Sie tastete sich darauf zu und stieß sie auf.
Auch dort war es stockdunkel, doch es duftete nach Rosen. Am Fenster
gegenüber stand ein hohes Himmelbett.
Ein
heller Lichtblitz zeigte ihr kurz den Rest des Zimmers. Neben ihr
stand eine Theke und darüber hing ein großer Spiegel. Die
Wände waren mit schwarzen und rosa Blüten bemalt, und zwei
weitere dunkle Holztüren führten aus dem Schlafzimmer
hinaus. Das war dann wohl ihr Zimmer! Sie schloss rasch die Tür
hinter sich und öffnete die nächste. Sie konnte nur einen
dunklen weiteren Gang entdecken und hielt es für besser, die Tür
wieder zu schließen. Die dritte klemmte. Lavinia
konnte sie nicht öffnen und wollte es am
Morgen noch einmal versuchen. Sie
zog sich aus und legte ihren Schmuck ab, der, wie sie verblüfft
feststellte, wie angegossen auf die Schmuckhand auf ihrem Nachttisch
passte. Sie versicherte sich, dass beide Zimmertüren fest
verschlossen waren, und legte sich hin. Ihr Lager war kuschelig
weich.
Sie
träumte von einer Blumenwiese mit schwarzen und rosa Blüten.
Gleichfarbige Schmetterlinge flogen darüber hinweg, sie konnte
viele Vögel zwitschern hören. Gerade als sie anfing, diesen
Traum zu genießen, schoss ein heller Lichtblitz in sie.
Schweißnass schreckte sie aus dem Schlaf hoch.
Ihr
Zimmer war dunkel. Ein lauter Schlag verriet einen Blitz, der in
nächster Nähe eingeschlagen haben musste. Lavinia holte ihr
Handy aus der Handtasche und stellte fest, dass es immer noch nicht
funktionierte. Sie nahm ihre Rolex heraus und las mit
zusammengekniffenen Augen die Uhrzeit von den Leuchtziffern ab.
Mitternacht. Eine Gänsehaut übermannte ihren Körper.
Was für ein Klischee, um Mitternacht bei tobendem Gewitter in
einem alten Anwesen festzusitzen. Sie hatte bereits beim Einschlafen
einen Druck auf ihre Blase verspürt. Nun wurde dieser immer
stärker. Sie stand auf, zog sich ihren Blazer über und
hatte keine Lust, ihren Rock anzuziehen. Ihr würde um diese
Uhrzeit sowieso keiner begegnen, das hoffte sie zumindest. Leicht
bekleidet ging sie auf den Gang hinaus. Jäh tauchte im
gleißenden Licht eines Blitzes eine Gestalt im Garten auf.
Lavinia schrie kurz auf und erkannte schließlich erleichtert,
dass es nur der Brunnen im Hofgarten war. Der Regen prasselte an die
Scheiben. Sie ging zur Treppe, an der sie sich von den anderen
getrennt hatte. Als sie versucht hatte, durch die Gartentür zu
entkommen, war ihr ein Badezimmer aufgefallen. Sie musste nur durch
den nächsten Torbogen, durch das Esszimmer und durch einen
weiteren Gang gehen. Plötzlich hörte sie in nächster
Nähe ein leises Wispern. Lavinia konnte nicht einmal ihre Hand
vor Augen sehen. Steif ging sie durch den großen Bogen in die
Eingangshalle, die etwas von den Fenstern der Galerien erleuchtet
wurde. Das Wispern kam von der Eingangstür, dennoch war es so
nah, als ob es ihrem Mund entspringen würde. Sie lief weiter auf
dem kalten Marmorboden und stieß in der Dunkelheit an einen
Tisch in der Mitte der Halle. Der Blumentopf darauf kippte, Lavinia
konnte ihn gerade noch auffangen. Das Flüstern hielt inne, als
wollte es ein weiteres Geräusch aus der Halle erlauschen, ehe es
eindringlicher und fordernder von der Tür zu Lavinia drang. Sie
ließ den Blumentopf vorsichtig zu Boden sinken. Dort draußen
stand jemand im Regen und wollte herein. Sie ging leise zur Tür
und versuchte, zu hören, was die Stimme sagte. Sie vernahm Laute
in einer ihr fremden Sprache. Sie flehte nicht um Einlass, es hörte
sich eher nach einem Befehl an, immer und immer wieder wiederholte
die unheimliche Stimme » Chamir
fa.«
Lavinia
fuhr zusammen, als jäh etwas gegen das Holz schlug und Krallen
versuchten, es zu durchdringen. Ihr trat der kalte Schweiß auf
die Stirn. Sie zwang sich, zum Fenster zu gehen, um zu sehen, wer
oder was dort draußen war. Da verstummte das kratzende Geräusch
plötzlich.
Nur
noch der Regen war zu hören. Lavinia lauschte angestrengt. Auf
einmal hörte sie die Stimme über sich. Was auch
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