Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
irgendwo in der Nähe,
oder? Meine Güte, Gott sei Dank hat es mich nicht erwischt!«
Nadia hörte sie im nächsten Gang kurz innehalten, bevor sie
weiterging und weiterplapperte.. »Sie leben ja noch, wir
könnten sie suchen und fragen, was sie angegriffen hat.«
»Du
hattest unverschämtes Glück, dass die beiden dich nicht
gleich getötet, sondern sogar offenbar zum Portal gebracht und
aufgepasst haben, bis du wieder aufgewacht bist. Du hattest wer weiß
wie viel Glück, dass dieses unbekannte Wesen dich nicht auch
erwischt hat. Ich glaube, wir halten uns erst einmal von dem Wald
fern. Natürlich könnten wir Motzig …«
»Nein!
Du sagst keinem etwas davon, verstanden? Das will ich nicht!«
Nadia
zuckte mit den Achseln und lief in den gleichen Gang, in dem Lavinia
gerade stand. Diese drehte sich zu ihr um und musterte sie mit weit
aufgerissenen Augen. »O mein Gott, zieh bloß das Oberteil
wieder aus. Wehe du kaufst es, das sieht ja schrecklich aus! Das
sollte man verbrennen!«
»Das
Oberteil gehört mir. Damit bin ich bereits hier reingekommen.«
»Hattest
du das schon an, als wir losgelaufen sind?« Lavinia zog
verwundert die Augenbrauen hoch.
»Ja!«
»Das
ist mir gar nicht aufgefallen. Na gut, ich hoffe, ich habe dich jetzt
nicht beleidigt?« Lavinia drehte ihr den Rücken zu und
untersuchte ein Regal mit glitzernden Oberteilen.
»Das
hast du bereits, als du mich gefragt hast, ob ich mit dir einkaufen
gehen möchte.« Nadia stemmte die Arme in ihre Seiten.
»Tatsächlich?
Wieso hab ich dich damit verärgert?«
Nadia
gefiel der beiläufige Tonfall in ihren Worten nicht.
»Wenn
du mich mit der Begründung fragst, dass das Wetter auf der Erde
erstens schlecht sei und ich, ich zitiere dich, das
einzig Frauen nächstkommende Wesen bin, mit dem du in dieser
Welt einkaufen gehen kannst ,
dann ist es meiner Ansicht nach schon eine Beleidigung.«
Lavinia
hörte auf, in dem Regal zu wühlen und drehte sich zu Nadia
um. Sie blickte an die Decke des Geschäfts und schien zu
überlegen. »Na gut, ich habe mich vielleicht ungünstig
ausgedrückt, ich wollte dir nur einen Gefallen tun. Brauchst du
nicht mal neue Klamotten?«, sagte sie in einem wieder
abschätzigen Ton.
Nadia
wurde langsam wütend.»Ich gehe nach Hause. Wir sehen uns
beim Abendessen.« Ehe ihr noch etwas rausrutschen konnte, was
ihr leidtun würde, drehte sie sich auf dem Absatz um und
spazierte betont ruhig aus dem Geschäft.
N adia
achtete auf dem Nachhauseweg nicht auf die Leute, die ihr
entgegenkamen. So schnell wie möglich bahnte sie sich einen Weg
durch die Menschen und Fabelwesen, die sich durch die engen Gassen
von St. Benedikt schoben. Kurz bevor sie das Stadttor passierte,
kamen ihr einige Posaunen und Trompeten spielende Musiker entgegen.
Ihre Stimmung besserte sich und sie drosselte ihr Schritttempo. Es
musste ungefähr siebzehn Uhr sein, ihre Uhr war, wie immer, wenn
sie Ayorweden betrat, stehen geblieben. Auch ihr Handy funktionierte
in dieser Welt nicht. Die Bewohner kamen von ihren Feldern und Äckern
zurück, ehe sich das Stadttor schloss. Sie musste ungefähr
eine Viertelstunde gehen, ehe sie den Waldrand erreichte. Von dort
waren es bis zum Tor in ihre Welt nur noch fünf Minuten. Am
Waldrand kamen ihr keine Menschen mehr entgegen. Eine leichte Brise
wehte über ihr Gesicht und brachte die Baumwipfel und Büsche
zum Rascheln.
Sie
war am Pfad angekommen, der sie wenige Meter vom großen Kiesweg
fort in den Wald bringen würde, wo das Tor stand. Doch etwas in
ihrem Bauch warnte sie. Es war, als würde dort eine Gefahr auf
sie lauern. Sie trat einen Schritt zurück und blickte auf die
nun kleinen Mauern und Türme St. Benedikts. Falls wirklich eine
Gefahr auf sie lauern sollte, musste sie so schnell wie möglich
zurück in die Stadt. Ihre Gabe vermochte, sie vor Gefahren zu
warnen, nicht aber, sie davor zu schützen. Aber würde sie
es wirklich rechtzeitig zurückschaffen? Ein Werwolf oder
sonstiges Ungetüm, das vielleicht hinter diesen Büschen auf
sie lauerte, wäre sicherlich schneller als sie.
Das
Kribbeln in ihrem Bauch wurde stärker. Kam das Geschöpf
näher? War es nur Einbildung oder verdunkelte sich der Himmel
tatsächlich sehr viel schneller als gewöhnlich um diese
Zeit? Sie blickte in den Himmel, aber dort war kein Himmel mehr!
Erschrocken stellte sie fest, dass über ihr die Baumkronen der
linken und rechten Waldhälfte zusammengewachsen waren und das
Tageslicht immer mehr verschluckten. Sie war wie
Weitere Kostenlose Bücher