Die dreizehnte Gabe: Der Dunkle Wald (Die 13. Gabe) (German Edition)
das Portal gelegt. Ihr Kopf
schmerzte, als würde er jeden Moment entzweispringen und ihre
Augen wollten die Umwelt nicht so erfassen, wie sie es gerne hätte.
Einige Bäume schienen doppelt dazustehen, Steine wanderten
verschwommen durch ihr Blickfeld. Sie benötigte zwei Versuche,
um aufzustehen.
Trotz
ihres Entschlusses, das Erlebte keinem ihrer Mitbewohner zu erzählen,
klopfte sie zu Hause an Nadias Tür und berichtete ihr das gerade
Geschehene.
Nadia
reagierte, wie sie es erwartet hatte.»Bist du noch ganz dicht?
Du spazierst allein im Dunklen Wald herum? Motzig hat doch gesagt, es
ist zu gefährlich, allein dort herumzulaufen! Was meinst du,
warum er der Dunkle Wald und nicht der Fröhliche Wald heißt?«
Lavinia
winkte benommen ab.
»Ich
hab dir das nicht erzählt, weil ich einen Vortrag hören
wollte, ich will wissen, was das war.«
»Grün
sagst du? Und blaues Blut …?« Sie überlegte kurz.
»Ich vermute, es waren Waldnymphen. Selbst wenn es mich sehr
wundert, dass es davon auch Männer geben soll. In Büchern
ist immer nur von weiblichen Vertretern die Rede.«
»Das
liegt wahrscheinlich an den ganzen notgeilen männlichen
Buchautoren. Diese Wesen hatten kaum was an, und Mann, hatten die
eine Figur! Die Diät möchte ich auch mal machen.«
»Die
grüne Hautfarbe wird dann aber eine Nebenwirkung dieser Diät
sein«, sagte Nadia leichthin.
Lavinia
bemerkte ihren dennoch besorgten Blick.
»Schau
nicht so! Mir geht es bald wieder super. Ich hoffe, du hältst
dich daran, es keinem zu erzählen. Auch nicht Motzig!«,
fügte Lavinia hinzu als Nadia etwas erwidern wollte.
»Ich
glaube, er fände es sehr interessant, zu wissen, dass du nicht
nur Menschen, sondern auch Untervölker des Menschen heilen
kannst. Womöglich klappt das auch bei Tieren«, meinte
Nadia fast im Ton eines Wissenschaftlers.
»Kein
Wort zu niemand, verstanden!«
»Schon
gut, aber du verstehst sicherlich, dass ich Nachforschungen anstellen
möchte. Über diese Nymphen und vor allem, was sie
angegriffen haben könnte und wieso sie dich nicht getötet
haben. Du musst wissen, diese Spezies ist sehr menschenscheu. Sie
betreten nie die von uns geschaffenen Pfade. Normalerweise locken sie
uns in die Dunkelheit, um uns hinterrücks umzubringen.«
»Aber
er hat mich zu seiner Freundin gelassen, damit ich sie heilen kann.«
»Das
ist das Seltsame. Woher soll er denn gewusst haben, was du für
eine Gabe besitzt?«
Fabio der
Elefantenjunge
N adia
hatte gerade wieder ihren braunen Poncho angezogen, nachdem sie
vergebens eine Strickjacke der Modemarke Eliris anprobiert hatte . Ihr hatte der bunte Stern auf
der Brust gefallen, doch wie bei den meisten Klamotten, die sie fand,
gefielen ihr die Sachen nicht mehr, sobald sie sie anprobiert hatte.
»Ich hab übrigens nachgeforscht. Es war nicht deine
Schuld, dass du den Waldnymphen zur Hilfe geeilt bist, nicht ganz
zumindest«, sagte sie und zog sich ihren Poncho zurecht.
Von
Lavinia, die auf der anderen Seite des Regals stand, kam nur ein
undefinierbarer Ton als Antwort.
»Naja,
weil Nymphen eine betörende Wirkung auf Menschen ausüben.
Sie üben sie normalerweise aus nächster Nähe aus. Aber
der Schrei, den du gehört hast, hatte vermutlich dieselbe
Wirkung. Hey, hörst du mir überhaupt zu?«
Von
Lavinia waren nur die Laute zu hören, die entstanden, wenn man
einen Kleiderbügel nach dem anderen in kurzer Reihenfolge zur
Seite schob.
»Aber
natürlich, betörende Wirkung und so was«, wiederholte
Lavinia.
Nadia
war mit dieser unzureichenden Antwort zufrieden. Für Lavinias
Verhältnisse war das eigentlich schon ziemlich aufmerksam, für
ein Thema, das sich nicht um sie selbst drehte. »Aber was mich
am meisten wundert, ist die Tatsache, dass es jemand geschafft, hat
eine Nymphe zu verletzten und dann auch noch so schwer. Die sind
eigentlich sehr schwer zu kriegen.«
»Na,
vielleicht war es ja irgendein Ungeheuer?« Da Lavinias Stimme
leiser wurde, schätzte Nadia, dass sie zu einem anderen
Kleiderregal ging.
»Ich
hab jedes mögliche Szenario durchgespielt. Werwölfe sind
eindeutig zu langsam, Vampire suchen sich keine Nymphen als Opfer,
Drachen wären den Spähern der Stadt aufgefallen, noch
mächtigere Wesen hätten die Katastrophenkundler von St.
Benedikt sofort registriert, und alles andere wäre zu schwach,
zu dumm oder zu klein, um sich an eine Nymphe heranzuwagen.«
»Aja,
da ich die beiden gerettet hab, vor was auch immer … hey,
warte mal … dieses Ding war dann noch
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