Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
Jahren bereits alt. Wir können uns nicht erlauben, unsere Kraft für Worte zu vergeuden.« Er machte eine Handbewegung. »Aber das spielt keine Rolle. Es ist nur wichtig, daß du hier bist und daß dein Wunsch nach Rache groß genug ist. Folgt mir.« Behende sprang er vom Stein und ging durch den Schnee davon.
»Er ist ein Dämon«, jammerte Oshi. »Dieses Lendentuch ist aus Menschenhaut.«
»Sein Mangel an eleganter Kleidung kümmert mich nicht«, sagte Chien. »Falls er ein Dämon ist, werde ich mit ihm fertig. Aber laß uns hoffen, daß er ein Dämon mit einer warmen Höhle ist.«
Sie folgten dem alten Mann zu einer scheinbar massiven Felswand. Er verschwand, und Oshi begann zu zittern, doch Chien ging zu der Felswand und fand dort eine schmale Öffnung, die von außen fast unsichtbar war. Er führte sein Pferd hinein, und Oshi folgte ihm.
Drinnen war es kalt und dunkel. Von irgendwo in den Schatten hörte Chien leisen Gesang. Fackeln erwachten in rostigen Haltern an den Wänden zum Leben. Sein Pferd stieg, aber er beruhigte das Tier, streichelte ihm den Hals und flüsterte beruhigende Worte. Die Reisenden gingen durch einen fackelerhellten Tunnel, der sich zu einer großen Höhle erweiterte, in der ein Feuer ohne Holz brannte.
»Setzt euch«, sagte Asta Kahn. »Wärmt euch.« Er wandte sich an Oshi. »Ich bin kein Dämon, ich bin schlimmer als Dämonen. Aber du brauchst mich nicht zu fürchten.«
»Danke, Herr. Danke«, sagte Oshi mit einer tiefen Verbeugung.
Asta Khan beachtete ihn nicht und richtete den Blick auf Chien. »Und du fürchtest mich überhaupt nicht, Mann aus Kiatze. Das ist gut. Ich fühle mich nicht wohl unter furchtsamen Männern. Setzt euch! Setzt euch! Macht es euch bequem. Es ist lange her, daß ich Besucher hatte.«
»Wie lange bist du schon hier?« fragte Chien und ließ sich an dem magischen Feuer nieder.
»Ich kam her, als mein Herr ermordet wurde. Er war Tenaka Khan, der Khan der Wölfe, der Schattenprinz«, erzählte der alte Mann mit Stolz in den Augen. »Er war der Große, der Erbe Ulrics.«
»Ich glaube, den Namen habe ich schon gehört«, sagte Chien. Zorn flackerte in Astas Augen auf, doch er verbarg ihn und lächelte dünn.
»Alle Menschen haben von ihm gehört, selbst die weichbäuchigen Kiatze. Aber lassen wir das. Dein Volk ist berühmt für Zynismus – aber ich sah dich kämpfen, Chien-tsu. Ich sah, wie du Kubai und die anderen getötet hast. Du bist geschickt und schnell. Sehr schnell.«
»Und du brauchst meine Künste, alter Vater?«
»Ich sehe, dein Geist arbeitet so rasch wie dein Körper. Ja, ich brauche dich. Und du brauchst mich. Das wird eine interessante Debatte, glaube ich. Wer von uns braucht den anderen mehr?«
»So wie die Dinge stehen«, erwiderte Chien, »brauche ich dich überhaupt nicht.«
»Dann weißt du, wie du in den Palast des Khans gelangst?« fragte Asta.
»Noch nicht. Aber ich werde einen Weg finden.«
»Nein«, widersprach Asta, »das wirst du nicht. Aber ich kann dich zu einem Pfad bringen, der zum Thronsaal führt. Allein würdest du nicht überleben, denn die Bewohner der Finsternis würden dich aufhalten. Ich gebe dir Jungir Khan. Ich gebe dir die Mittel für deine Rache.«
»Und im Gegenzug, alter Vater?«
»Du wirst den
Geistern-die-noch-kommen-werden
helfen.«
»Erklär mir das näher.«
Asta schüttelte den Kopf. »Zuerst wollen wir essen. Ich kann den Bauch deines Dieners knurren hören. Nimm deinen Bogen und geh aus der Höhle. Dort wartet ein Reh – töte es.«
Chien stand auf und ging zurück zum Eingang der Höhle. Der alte Mann hatte recht. In der Nähe stand ein Reh. Es hatte die Augen offen, ohne zu blinzeln. Chien legte einen Pfeil auf die Sehne, blickte das Tier einen Moment lang an und ging dann zurück in die Höhle. »Oshi, nimm ein Messer und erlege das Tier. Das ist kein Sport.«
Asta Khan kicherte laut und wiegte sich auf den Schenkeln vor und zurück.
Chien ignorierte ihn. »Erzähl mir von Tenaka Khan«, bat er, und der alte Mann holte tief Luft.
»Er war die Sonne und der Mond des Nadirvolkes – aber er war durch unreines Blut verflucht. Halb Drenai, halb Nadir. Er ließ es geschehen, daß er eine Frau liebte. Ich meine nicht, daß er sie für sich genommen hätte – obwohl er es tat. Aber er legte für ihr seine Seele zu Füßen. Sie starb bei der Geburt seiner Tochter Tanaki, und im Tod nahm sie einen Teil der Seele des Khans mit in den Himmel oder die Hölle. Er kümmerte sich nicht mehr um
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