Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
außer der Liebe Kialls. Das ist nicht genug. Würde ich Ravenna kennen, könnte ich sie überall finden.«
»Wie lange brauchen wir für die Reise?«
»Vielleicht drei Wochen. Vielleicht einen Monat. Es ist ein rauhes Land. Und wir müssen vorsichtig sein. Nadirstämme, Gesetzlose, Wolfsschädel, Nadren. Und … andere Gefahren.«
»Was für andere Gefahren?« fragte Beltzer.
»Dämonen«, erwiderte Okas. Beltzer schlug das Zeichen des Schützenden Horns vor Stirn und Brust, und Finn tat es ihm gleich.
»Dämonen?« fragte Chareos ungläubig. »Was hat Zauberei mit unserer Suche zu tun?«
Okas zuckte die Schultern und starrte zu Boden. Er begann,: kreisförmige Muster in den Staub zu zeichnen.
Chareos kniete neben ihm nieder. »Sag mir, mein Freund, wieso Dämonen?«
Okas sah auf und begegnete dem Blick aus Chareos’ dunklen Augen. »Ihr habt mich hergebeten, um euch zu helfen«, sagte er. »Ich helfe euch. Was, wenn ich euch um Hilfe bitte?«
»Du bist ein Freund«, antwortete Chareos ohne Zögern. »Wenn du mich brauchst – oder einen anderen von uns –, brauchst du nur zu fragen. Jagen die Dämonen dich?«
»Nein. Aber da ist ein alter Mann – ein Feind von Jungir Khan. Er lebt allein in den Bergen weit von hier. Er ist derjenige, dem ich Hilfe versprochen habe. Aber wenn ich allein gehe, werde ich sterben. Doch ich muß gehen.«
»Dann werde ich mit dir gehen«, erklärte Chareos.
»Und ich auch«, sagte Beltzer und schlug Okas mit seiner riesigen Hand auf die Schulter.
Okas nickte und zeichnete weiter seine Muster in den Staub. Er sprach nicht mehr, und Chareos ließ ihn allein.
Kiall ging zu Chareos. »Ich muß mit dir reden«, sagte er und entfernte sich ein Stück von den anderen. Chareos folgte ihm zu einem schattigen Fleckchen unter einer ausladenden Ulme. »Wie soll uns das alles helfen, Ravenna zu finden?« fragte er.
»Es hilft uns nicht, Kiall. Vielleicht sterben wir hier.«
»Sind wir für
nichts
so weit gekommen?« wütete Kiall.
»Freundschaft ist nicht
nichts.
Dieser alte Mann wird ohne uns sterben. Was hätte ich deiner Meinung nach sagen sollen? Es gibt nur wenige Tugenden auf dieser Welt, Junge, aber Freundschaft ist eine, die ich hoch schätze. Doch wenn du einen Grund hören willst, der nichts mit Ehre zu tun hat, dann überlege mal folgendes: Welche Chance haben wir, Ravenna
ohne
Okas zu finden?« Chareos packte Kialls Schulter. »Ich habe keine Wahl, mein Freund. Überhaupt keine.«
Kiall nickte. »Ich werde auch gehen«, sagte er.
Maggrig kehrte mit Proviant zurück – getrocknetem Fleisch, Salz und einem süßen Gebäck aus getrocknetem Honig und Gelbwurz. Die Suchenden brachen nach Süden auf. Okas und Chareos ritten voraus. Kiall, Beltzer und Maggrig folgten. Finn galoppierte davon, um nach Spuren von Räubern oder Gesetzlosen Ausschau zu halten.
Kiall ritt neben Maggrig. »Der Gedanke, gegen Dämonen kämpfen zu müssen, macht mir angst«, gestand er.
»Mir auch«, gab Maggrig zu. »Ich habe einmal einen ausgestopften Bastard gesehen, als wir in Neu-Gulgothir waren. Ein Wolfsmensch, der über drei Meter groß war. Er wurde von Ananais getötet, dem Drenaihelden, während der Ceska-Kriege vor einigen Jahrzehnten. Aber einen Dämonen hab’ ich auch noch nicht gesehen. Finn hat mir erzählt, ein Freund von ihm wurde von einem getötet. Sie jagten ihn im Schlaf, und er wachte schreiend auf. Eines Nachts schrie er wieder – und diesmal wachte er nicht mehr auf. Äußerlich war ihm nicht das geringste anzusehen.«
Kiall schauderte.
Beltzer ließ sich zurückfallen, um neben ihnen zu reiten. »Die Nadirschamanen rufen diese Wesen«, sagte er. »Ich kannte einmal einen Mann, der eine Begegnung mit ihnen überlebt hatte. Er hatte einen Nadirschrein geplündert. Dann begannen die Träume. Er wurde durch einen dunklen Wald gejagt, er hatte keine Waffen, und die Wesen kamen ihm Nacht für Nacht näher.«
»Was hat er getan?« fragte Maggrig.
»Er reiste zu einem Tempel der Dreißig in der Nähe von Mashra-pur. Sie ließen ihn den Zierrat herausgeben, den er gestohlen hatte – einen Becher, glaube ich. Dann saßen zwei der Kriegerpriester bei ihm, während er schlief. Er träumte wieder von dem Wald – aber diesmal waren die Priester bei ihm, ganz in silberne Rüstungen gekleidet, mit Schwertern, die heller leuchteten als Laternen. Sie wehrten die Dämonen ab und brachten den Geist des Mannes zu dem Nadirschamanen, der die Dämonen ausgesandt hatte. Sie
Weitere Kostenlose Bücher