Die Drenai-Saga 4 - Der Bronzefürst
und stieg vom Pferd. Chien-tsu schwang sein linkes Bein über den Sattelknauf und sprang zu Boden.
»Nein. Sie werden morgen bei Anbruch der Dämmerung angreifen – jedenfalls ist das der Plan, von dem dieser Kubai sprach, als er sich letzte Nacht mit den Mördern traf.« Chien würde noch lange an den häßlichen Klang von Kubais Gelächter denken, als er mit den zwei Nadirspähern über das Massaker an den ›gelben Männern‹ geredet hatte. Chiens Geist war gerade über dem Trio geschwebt, und er hatte gehört, wie man ihn einen ›weibischen Narren‹ nannte, eine ›angemalte Puppe‹.
»Es ist ärgerlich«, sagte Sukai.
»Was ist ärgerlich? Entschuldigung, ich war mit meinen Gedanken woanders.«
»Daß man gezwungen ist, durch die Hände solcher Barbaren den Tod zu finden.«
»Oh, ja, das ist es wirklich«, sagte Chien.
»Es wäre schön gewesen, eine zweite Möglichkeit gehabt zu haben.« Unter ihnen hatten die zwanzig Soldaten drei Lagerfeuer entzündet. Von seiner Stellung auf dem Hügel konnte Chien den Späher sehen, Kubai, der ein Stück abseits von seinen Männern saß. Chien knöpfte den roten Mantel aus Seidenbrokat auf und kratzte sich unter dem Arm. »Es wird mir nicht leid tun, mich von diesem Gewand zu verabschieden«, sagte er. »Es fängt an zu stinken.«
»Es gehörte zu deinem Plan, Herr«, sagte Sukai mit breitem Grinsen.
»Das stimmt. Aber es ist schrecklich unbequem. Wer wird es morgen tragen?«
»Nagasi, Herr. Er hat deine Größe und Gestalt.«
»Ich muß mich bei ihm entschuldigen. Es ist eine Sache, im Dienste seines Herrn zu sterben – aber eine ganz andere, wenn man gezwungen ist, in einem schmutzigen Mantel zu sterben.«
»Es ist eine Ehre für Nagasi, Herr.«
»Natürlich, aber gutes Benehmen sollte immer an erster Stelle kommen. Wäre es ein zu großes Privileg für ihn, wenn wir ihn bitten würden, heute abend mit uns zu speisen?«
»Ich fürchte ja, Herr.«
»Ich glaube, du hast recht, Sukai. Du und ich, wir werden zusammen speisen – obwohl ›speisen‹ eine zu hochgegriffene Beschreibung für ein Mahl aus gekochtem Hasen ist. Aber ich habe noch einen guten Wein, den wir dazu trinken werden.«
Chien schwang sich in den Sattel und wartete auf Sukai. Der Offizier stieg auf seinen Wallach und fluchte leise.
»Was bedrückt dich, mein Freund?« fragte Chien. »Dieser Kubai, ich würde zu gern seinen Kopf vom Hals trennen.«
»Ein Gedanke, den ich schätze – und teile. Es ist jedoch äußerst wichtig, daß die Soldaten Kiatzes kein Verbrechen begehen, während sie im Land der Nadir sind. Wir können nur reagieren, nicht agieren.«
»Wie du wünschst, Herr«, murmelte Sukai, gab seinem Pferd die Sporen und lenkte das Tier den Hügel hinunter zum Lager.
Am Mittag des folgenden Tages verkündete Kubai, der Nadirspäher, daß er auf die Jagd gehen wollte, und galoppierte nach Südwesten davon. Sukai sah ihm nach; dann wendete er sein Pferd und ließ die Gruppe anhalten.
Chien-tsu ritt an seine Seite. »Wir haben vier, vielleicht fünf Stunden Zeit«, sagte Chien. »Wir müssen jetzt beginnen.« Sukai gab den zwanzig Wachen das Zeichen, abzusteigen. Die Männer banden ihre Pferde an und nahmen Haltung an. Chien schritt schweigend die Reihe ab und blieb nur stehen, um einen Soldaten zu ermahnen, dessen Griffschutz aus Bronze und Silber eine Spur von Verfärbung zeigte. Der Mann wurde rot.
»Ihr alle wißt«, sagte Chien, »daß Verrat uns erwartet. Die Nadir werden bei Anbruch der Dämmerung angreifen. Es ist äußerst wichtig, daß sie glauben, sie hätten uns überrascht. Deshalb werdet ihr alle um eure Feuer sitzen, wenn sie kommen. Ihr könnt eure Pferde gesattelt lassen. Sobald der Angriff beginnt, könnt ihr kämpfen, wie es euer Herz begehrt. Die Gier und die Lust der Nadir am Kampf zeigt uns, daß sie eines Tages auch das Königreich Kiatze angreifen werden. Denkt immer daran! Es ist von größter Bedeutung, daß ihr euch so teuer wie möglich verkauft. Ich erwarte, daß kein Mensch stirbt, ehe er nicht mindestens vier Feinde erledigt hat. Es gibt keinen Rückzug. Ihr werdet hier sterben.« Chien wandte sich ab; dann drehte er sich noch einmal um. »Normalerweise wäre es nicht nötig, noch etwas hinzuzufügen; aber wir stehen unter einem fremden Himmel und sind fern der Heimat. Also laßt mich dies sagen: Ihr seid die besten Krieger und die wertvollsten Menschen. Wäre es anders, wärt ihr jetzt nicht bei mir. Ich werde die Schlacht von dem Hügel
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