Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
Krieger in einem dunkelroten Hemd trat vor. »Was hast du für Pläne?« fragte er.
»Ich werde etwas essen«, antwortete Druss. »Dann nehme ich ein Bad. Und anschließend werde ich wohl eine Woche lang schlafen.«
»Und dann?« In der Halle herrschte Stille. Die Krieger scharten sich dichter zusammen, um die Antwort des Axtschwingers zu hören.
»Alles zu seiner Zeit, mein Freund. Wenn du in einem Kerker sitzt, im Dunkeln, nur die Ratten als Gesellschaft, dann lernst du, nie zu viele Pläne zu machen.«
»Hast du vor, seinen Platz einzunehmen?« beharrte der Krieger und deutete auf den abgeschlagenen Kopf. Druss lachte. »Bei den Göttern, guck ihn dir doch an! Würdest du gern seinen Platz einnehmen?« Kauend ging Druss zur Empore zurück und setzte sich. Dann beugte er sich vor und sagte zu den Männern: »Ich bin Druss. Einige von euch erinnern sich vielleicht noch von dem Tag her an mich, als ich hergebracht wurde. Andere wissen vielleicht, daß ich dem Kaiser gedient habe. Ich wünsche keinem von euch etwas Böses … aber wenn irgendeiner sterben möchte, dann soll er seine Waffen nehmen und herkommen. Ich werde ihm dabei helfen.« Er stand auf und schwang die Axt. »Irgend jemand?« rief er herausfordernd. Niemand rührte sich, und Druss nickte. »Ihr seid Kämpfer«, sagte er, »aber ihr kämpft gegen Bezahlung. Das ist vernünftig. Euer Anführer ist tot – am besten eßt ihr jetzt und wählt dann einen neuen.«
»Stellst du dich selbst zur Verfügung?« fragte der Mann in dem roten Hemd.
»Mein Freund, ich hatte genug von dieser Festung. Und ich habe andere Pläne.«
Druss wandte sich an Sieben, und Varsava konnte nicht hören, was sie sprachen. Die Krieger scharten sich in kleinen Gruppen zusammen und diskutierten die Vor- und Nachteile von Cajivaks verschiedenen Unteroffizieren. Varsava schlenderte aus der Halle, verwirrt von dem Geschehen. Vor der Halle lag ein großes Vorzimmer, in dem der Messerkämpfer sich auf einer langen Couch ausstreckte. Seine Gefühle waren durcheinander, sein Herz schwer. Eskodas gesellte sich zu ihm.
»Wie hat er das gemacht?« fragte Varsava. »Hundert gefährliche Männer, und sie nehmen den Mord an ihrem Führer so einfach hin. Unglaublich.«
Eskodas zuckte die Achseln und lächelte. »Das ist eben Druss.«
Varsava fluchte leise. »Nennst du das eine Antwort?«
»Kommt darauf an, wonach du suchst«, erwiderte der Bogenschütze. »Vielleicht solltest du dich fragen, warum du wütend bist. Du kamst her, um einen Freund zu retten, und jetzt ist er frei. Was willst du mehr?«
Varsava lachte, doch es war ein trockenes, rauhes Lachen. »Willst du die Wahrheit wissen? Ich wünschte mir beinahe, Druss gebrochen zu sehen. Ich wollte eine Bestätigung für seine Dummheit! Der große Held! Er rettete einen alten Mann und ein Kind – deswegen hat er ein Jahr oder mehr in diesem Loch verbracht, verstehst du? Es war sinnlos. Sinnlos!«
»Nicht für Druss.«
»Was ist so Besonderes an ihm?« tobte Varsava. »Er ist nicht gerade mit einem scharfen Verstand gesegnet! Jeder andere, der tun würde, was er gerade getan hat, würde von diesem elenden Haufen in der Luft zerrissen! Aber nein, nicht Druss! Warum? Er hätte ihr Anführer werden können! Sie hätten es akzeptiert!«
»Ich kann dir keine endgültigen Antworten geben«, sagte Eskodas. »Ich sah Druss mal ein Schiff voller blutrünstiger Piraten stürmen – sie warfen ihre Waffen nieder. Es ist die Natur dieses Mannes, nehme ich an. Ich hatte einmal einen Lehrer, einen großen Bogenschützen, der mir erklärte: ›Wenn wir einen anderen Mann sehen, betrachten wir ihn instinktiv als Bedrohung oder Beute. Weil wir jagende, tötende Tiere sind. Fleischfresser. Wir sind eine tödliche Spezies.‹ Wenn wir Druss ansehen, Varsava, sehen wir die letztendliche Bedrohung – einen Mann, der keine Kompromisse kennt. Er bricht die Regeln. Nein, mehr als das, glaube ich. Für ihn gibt es keine Regeln. Sieh nur, was da drinnen passiert ist. Ein normaler Mann hätte vielleicht Cajivak getötet – wenn ich es auch bezweifle. Aber er hätte nicht die Axt beiseite geworfen und mit bloßen Händen gegen das Ungeheuer gekämpft. Und wenn er den Anführer erschlagen hätte, dann hätte er einen Blick auf all diese Männer geworfen, und in seinem Herzen hätte er den Tod erwartet. Sie hätten es gespürt … und sie hätten ihn getötet. Aber Druss hat es nicht gespürt; es war ihm egal. Einer nach dem anderen, oder alle auf einmal –
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