Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
essen bringen.«
Der Graf grüßte den Wächter am Eingang des Passes, und die beiden Männer stiegen den Hang zum Lager hinauf. Delnar brachte ihn zu einem viereckigen weißen Zelt und hob die Zeltklappe, um Druss zuerst eintreten zu lassen. Drinnen waren vier Männer. Sie sprangen auf, als der Graf Druss folgte.
»Steht bequem«, sagte Delnar. »Das ist Druss, ein alter Freund von mir. Er bleibt eine Weile bei uns. Ich möchte, daß ihr ihn als Gast aufnehmt.« Er wandte sich an Druss. »Ich nehme an, du kennst Certak und Archytas. Nun, dieser schwarzbärtige Taugenichts ist Diagoras.« Druss gefiel der Mann; sein Lächeln war offen und freundlich, und das Glitzern in seinen dunklen Augen sprach von Humor. Aber mehr noch; er hatte das, was Soldaten ›Das Aussehen des Adlers‹ nannten, und Druss wußte sofort, daß er einen geborenen Krieger vor sich hatte.
»Schön, dich kennenzulernen. Wir haben viel von dir gehört.«
»Und das ist Orases«, stellte Certak vor. »Er ist neu bei uns. Aus Drenan.«
Druss schüttelte dem jungen Mann die Hand, bemerkte das Fett um seine Hüften und den weichen Händedruck. Er schien recht nett zu sein; aber neben Diagoras und Certak wirkte er knabenhaft und linkisch.
»Möchtest du etwas essen?« fragte Diagoras, nachdem der Graf gegangen war.
»Auf jeden Fall«, murmelte Druss. »Mein Magen glaubt, man hätte mir die Kehle durchgeschnitten.«
»Ich hole was«, sagte Orases rasch.
»Ich glaube, du flößt ihm Ehrfurcht ein, Druss«, sagte Diagoras, als Orases aus dem Zelt flitzte.
»Kommt vor«, meinte Druss. »Warum bietet ihr mir keinen Platz an?«
Diagoras kicherte und zog einen Stuhl heran. Druss drehte ihn um und setzte sich. Die anderen folgten seinem Beispiel, und die Atmosphäre entspannte sich. Die Welt wird jünger, dachte Druss, und wünschte, er wäre nie hergekommen.
»Darf ich deine Axt mal sehen?« fragte Certak.
»Sicher«, antwortete Druss und zog Snaga geschickt aus der geölten Scheide. In den Händen des älteren Mannes wirkte die Waffe beinahe gewichtslos, doch als er sie Certak reichte, stöhnte der Offizier leise auf.
»Die Klinge, die den Chaoshund erschlug«, wisperte Certak, drehte sie in seinen Händen und reichte sie Druss zurück.
»Glaubst du alles, was du hörst?« fragte Archytas mit einem höhnischen Grinsen.
»Es stimmt doch, Druss, oder?« fragte Diagoras, ehe Certak antworten konnte.
»Ja. Vor langer Zeit. Aber sie drang kaum durch sein Fell.«
»Stimmt es, daß sie eine Prinzessin opferten?« fragte Certak.
»Nein. Zwei kleine Kinder. Aber erzähl mir von euch«, bat Druss. »Wo ich auch hinkomme, stellen mir die Leute dieselben Fragen, und das langweilt mich.«
»Wenn du dich so langweilst«, sagte Archytas, »warum nimmst du dann den Dichter mit auf all deine Abenteuer?«
»Was meinst du damit?«
»Ganz einfach, es scheint mir seltsam für einen Mann, der so bescheiden ist wie du, daß er einen Sagenmeister mitnimmt. Obwohl es sich als sehr praktisch erwiesen hat.«
»Praktisch?«
»Nun, er hat dich erschaffen, nicht wahr? Druss die Legende. Ruhm und Reichtum. Sicher kann jeder wandernde Krieger mit solch einem Gefährten zu einer Legende aufgeblasen werden.«
»Ich glaube schon«, sagte Druss. »Ich habe zu meiner Zeit viele Männer gekannt, deren Taten längst vergessen sind, die es aber wert wären, in Liedern und Geschichten besungen zu werden. Ich habe vorher nie darüber nachgedacht.«
»Wieviel von Siebens großer Saga ist Übertreibung?« fragte Archytas.
»Ach, halt den Mund«, fauchte Diagoras.
»Nein«, widersprach Druss und hob die Hand. »Ihr habt ja keine Ahnung, wie gut das tut. Immer fragen die Leute mich nach den Geschichten, und wenn ich ihnen sage, daß sie – sagen wir mal – abgerundet sind, dann glauben sie mir nicht. Aber es stimmt. Die Geschichten handeln nicht von mir. Sie basieren zwar auf der Wahrheit, aber sie sind gewachsen. Ich war der Samen, sie sind der Baum geworden. Ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Prinzessin getroffen. Aber um deine erste Frage zu beantworten. Ich habe Sieben niemals auf meine Reisen mitgenommen. Er kam einfach mit. Ich nehme an, er langweilte sich und wollte die Welt sehen.«
»Aber du hast doch das Werungeheuer in den Bergen von Pelucid erschlagen?« wollte Certak wissen.
»Nein. Ich habe nur viele Männer in vielen Schlachten getötet.«
»Warum läßt du dann zu, daß die Gedichte vorgetragen werden?« fragte Archytas.
»Wenn ich es hätte
Weitere Kostenlose Bücher