Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
persönlich habe nichts dagegen einzuwenden, daß du das sagst, Kapitän«, erwiderte Eskodas. »Aber die Männer haben vielleicht etwas dagegen, so etwas zu hören. Vielen Dank für deine Zeit und deine Höflichkeit.«
Der Bogenschütze stieg wieder zum Hauptdeck hinunter. Überall lungerten Männer herum; manche würfelten, andere unterhielten sich. An Backbord veranstalteten einige einen Wettbewerb im Armdrücken. Eskodas schlenderte bis zum Bug.
Die Sonne schien strahlend von einem blauen Himmel, und sie hatten guten achterlichen Wind. Möwen kreisten hoch über dem Schiff, und im Norden konnte man gerade die Küste von Lentria erkennen. Auf diese Entfernung wirkte das Land nebelhaft und unwirklich, ein Ort der Geister und Legenden.
Im Bug saßen zwei Männer. Der eine war der schlanke junge Mann, der so spektakulär an Bord geraten war. Blond und gutaussehend, das lange Haar von einem silbernen Stirnband gebändigt, teure Kleidung – ein hellblaues Hemd aus feiner Seide, dunkelblaue Beinkleider aus Lammwolle, eingefaßt mit weichem Leder. Der andere Mann war riesig. Er hatte Kelva hochgehoben, als wöge der Krieger nur ein paar Pfund, und hatte ihn dann wie einen Speer ins Meer geschleudert. Eskodas ging auf die beiden zu. Der Riese war jünger, als er zuerst gedacht hatte, doch die Stoppeln eines sprießenden dunklen Bartes ließen ihn älter wirken. Eskodas begegnete seinem Blick. Kalte, blaue Augen, steinhart und abweisend. Der Bogenschütze lächelte. »Guten Morgen«, sagte er. Der Riese grunzte nur irgendetwas, doch der geckenhafte Blonde stand auf und reichte ihm die Hand.
»Hallo. Ich bin Sieben. Das hier ist Druss.«
»Ach ja. Er hat Grassin beim Turnier besiegt, nicht wahr? Hat ihm, glaube ich, den Kiefer gebrochen.«
»Mehrfach«, bestätigte Sieben.
»Ich heiße Eskodas.« Der Bogenschütze setzte sich auf ein aufgerolltes Tau und lehnte sich gegen einen in Leinen gewickelten Ballen. Er schloß die Augen und spürte die warme Sonne im Gesicht. Sie schwiegen eine Weile; dann nahmen die beiden Männer ihre Unterhaltung wieder auf.
Eskodas hörte nicht allzu aufmerksam zu … sie redeten irgendwas über eine Frau und Attentäter.
Er dachte an die Reise, die vor ihnen lag. Er war noch nie in Ventria gewesen, doch den Geschichten nach, die man darüber hörte und las, war es ein Land von unglaublichem Reichtum, voller Drachen, Zentauren und vielen wilden Tieren. Eskodas neigte dazu, die Sache mit den Drachen nicht zu glauben. Er war weit gereist, und in jedem Land gab es Geschichten über solche Wesen, doch Eskodas hatte noch nie einen gesehen. In Chiatze gab es ein Museum, in dem die Knochen eines Drachen wieder zusammengesetzt worden waren. Das Skelett war ungeheuer; es hatte zwar keine Flügel, dafür aber einen Hals, der mindestens drei Meter lang war. Er konnte sich nicht vorstellen, daß eine solche Kehle Feuer zu spucken vermochte.
Doch Drachen hin, Drachen her – Eskodas freute sich wirklich darauf, Ventria zu sehen.
»Du redest nicht viel, was?« stellte Sieben fest.
Eskodas öffnete die Augen und lächelte. »Wenn ich etwas zu sagen habe, dann sag’ ich’s«, erwiderte er.
»Die Gelegenheit wirst du nie bekommen«, knurrte Druss. »Sieben redet genug für zehn.«
Eskodas lächelte höflich. »Du bist der Sagenmeister«, sagte er.
»Ja. Wie schön, wenn man erkannt wird.«
»Ich habe dich in Corteswain gesehen. Du hast eine Vorstellung von Das Lied von Karnak gegeben. Es war sehr gut! Mir hat besonders die Geschichte von Dros Purdol und der Belagerung gefallen, wenn mich auch die Ankunft der Kriegsgötter und die geheimnisvolle Prinzessin mit der Kraft, Blitze zu schleudern, weniger beeindruckt hat.«
»Dichterische Freiheit«, sagte Sieben mit einem leicht gezwungenen Lächeln.
»Der Mut von Menschen braucht keine solche Freiheit«, meinte Eskodas. »Es schmälert das Heldentum der Verteidiger, wenn man annehmen muß, daß sie göttliche Hilfe hatten.«
»Es war ja auch keine Geschichtsstunde«, erklärte Sieben, dem das Lächeln verging. »Es war ein Gedicht – ein Lied. Die Ankunft der Götter war lediglich ein künstlerisches Mittel, um zu unterstreichen, daß Mut manchmal Glück mit sich bringt.«
»Hmm«, machte Eskodas, lehnte sich zurück und schloß wieder die Augen.
»Was soll das heißen?« wollte Sieben wissen. »Bist du anderer Meinung?«
Eskodas seufzte. »Ich möchte keinen Streit heraufbeschwören, Herr Dichter, aber ich finde, das künstlerische Mittel
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