Die Drenai-Saga 6 - Druss-Die Legende
der an der Reling lehnte.
Der Axtschwinger warf einen Blick zu ihm hinauf; dann drehte er sich wieder zu Borcha um. »Viel Glück, mein Freund«, sagte er. Damit ging er den Laufsteg hinauf.
Als die Leinen losgeworfen wurden, trieb die Donnerkind langsam vom Kai fort.
Krieger lungerten an Deck herum oder lehnten über der Reling und winkten Freunden und Liebsten zum Abschied zu. Druss fand einen freien Platz an der Steuerbordreling und setzte sich; die Axt legte er neben sich auf die Planken. Bodasen stand neben dem Steuermann am Ruder. Er winkte und lächelte dem Axtschwinger zu.
Druss lehnte sich zurück. Er fühlte sich seltsam friedlich. Die Monate, die er in Mashrapur festgesessen hatte, waren schwer für den jungen Mann gewesen. Er dachte an Rowena.
»Ich komme dich holen«, flüsterte er.
Sieben verließ den Hafen und schlenderte durch das Labyrinth von Gassen, die zum Park führten. Ohne die Huren zu beachten, die sich an ihn drängten, dachte er über vieles nach. Druss’ Abreise stimmte ihn traurig. Inzwischen mochte er den jungen Axtträger gern. Er hatte keine verborgenen Seiten, kannte keine Täuschung und keine Arglist. Und sosehr Sieben auch über Druss’ strenge Moralvorstellungen lachte – insgeheim bewunderte er die Kraft, aus der sie resultierten. Druss hatte sogar den Arzt Calvar Syn aufgesucht und seine Schulden bezahlt. Sieben war mit ihm gegangen und würde sich noch lange an das Erstaunen erinnern, das sich auf dem Gesicht des jungen Arztes abgezeichnet hatte.
Aber Ventria? Sieben hatte nicht den Wunsch, ein Land zu besuchen, das vom Krieg zerrissen wurde.
Er dachte an Evejorda, und Bedauern überkam ihn. Er hätte sie gern noch einmal gesehen, noch einmal die schlanken Schenkel gespürt, die über seine Hüften glitten. Doch Shadak hatte recht. Es war zu gefährlich für sie beide.
Sieben bog nach links ab und begann, die hundert Stufen zum Tor des Parks hinaufzusteigen. Shadak lag falsch, was Gulgothir betraf. Er erinnerte sich an die schmutzübersäten Straßen, die verkrüppelten Bettler und die Schreie der Armen. Aber er erinnerte sich ohne Bitterkeit daran. Und war es sein Fehler, daß sein Vater sich mit der Herzogin derart zum Narren gemacht hatte? Kurz flackerte Zorn in ihm auf. Dummer Kerl, dachte er. Dummer, dummer Mann! Zuerst hatte sie ihm seinen Wohlstand genommen, dann seine Würde und schließlich seine Männlichkeit. Man nannte sie die Vampirkönigin. Die Bezeichnung paßte gut auf sie, nur daß sie kein Blut trank. Nein, sie trank die Lebenskraft eines Mannes; sie saugte ihn aus, und er dankte ihr auch noch dafür, ja, bettelte darum, daß sie es noch einmal tun möge.
Siebens Vater war weggeworfen worden – eine nutzlose Hülle; die leere, abgelegte Schale eines Mannes. Während Sieben und seine Mutter beinahe verhungerten, saß sein Vater wie ein Bettler vor dem Haus der Herzogin. Einen Monat saß er dort; dann schnitt er sich mit einem rostigen Messer die Kehle durch.
Dummer, dummer Mann!
Aber ich bin nicht dumm, dachte Sieben, während er die Stufen emporstieg. Ich bin nicht wie mein Vater.
Als er aufblickte, sah er zwei Männer auf sich zukommen. Sie trugen lange Umhänge, die eng um ihre Körper gewickelt waren. Sieben blieb stehen. Es war ein heißer Vormittag – warum also waren sie derart gekleidet? Er hörte ein Geräusch, drehte sich um und sah einen weiteren Mann, der hinter ihm die Treppe hinaufkam. Er trug ebenfalls einen langen Umhang.
Angst flammte plötzlich im Herzen des Dichters auf. Er machte auf dem Absatz kehrt und stieg wieder hinunter zu dem einzelnen Mann. Als Sieben ihm näher kam, flog der Umhang zurück, und ein langes Messer erschien in der Hand des Mannes. Sieben sprang ihn mit den Füßen voran an. Sein rechter Stiefel krachte gegen das Kinn des Mannes, so daß er die Treppe hinabkollerte. Sieben landete schwer, erhob sich jedoch geschmeidig und rannte los, wobei er immer drei Stufen auf einmal nahm. Er konnte die Männer hinter sich ebenfalls rennen hören.
Als er unten ankam, hetzte er durch die Gassen. Ein Jagdhorn ertönte, und ein hochgewachsener Krieger sprang ihm mit gezogenem Schwert in den Weg. In vollem Lauf rammte Sieben ihn mit der Schulter und schubste ihn beiseite. Er schlug erst einen Haken nach rechts, dann nach links. Ein Messer schoß an seinem Kopf vorbei und prallte klirrend gegen eine Wand.
Sieben wurde schneller, stürmte über einen kleinen Platz in eine Seitenstraße. Vor sich konnte er die Kais
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