Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar
für sie. Ich möchte, daß du den Befehl über die Krummhörner am Brunnen übernimmst.«
»Was?« Kzun wurde rot. »Du willst, daß ich diese verängstigten Affen befehlige?«
»Wenn die Gothir den Brunnen einnehmen, nehmen sie auch den Schrein ein«, sagte Talisman in neutralem Ton. »Er ist das Herz unserer Verteidigung. Ohne Wasser wird der Feind zu einem Generalangriff gezwungen. Wenn wir sie lange genug hinhalten können, werden sie allmählich sterben. Mit Wasser haben sie ein Dutzend Möglichkeiten, sie könnten uns sogar aushungern.«
»Du mußt mich nicht von der Bedeutung des Brunnens überzeugen, Talisman«, fuhr Kzun auf. »Aber warum sollte ich die Krummhörner anführen? Sie sind weich. Meine eigenen Männer könnten den Brunnen halten. Ich kann darauf vertrauen, daß sie bis zum Tode kämpfen.«
»Du wirst die Krummhörner anführen«, sagte Talisman. »Du bist ein Kämpfer, und sie werden dir folgen.«
Kzun blinzelte. »Sag mir nur, warum. Warum gerade ich?«
»Weil ich es befehle«, antwortete Talisman.
»Nein, es steckt mehr dahinter. Was verbirgst du vor mir?«
»Nichts«, log Talisman gewandt. »Der Brunnen ist lebenswichtig, und mein Urteil lautet, daß du der beste Mann bist, um seine Verteidigung zu führen. Aber der Brunnen befindet sich auf Krummhorn-Land, und sie würden beleidigt sein, wenn ich einem anderen Stamm den Auftrag gäbe, ihn zu verteidigen.«
»Glaubst du, sie werden nicht beleidigt, wenn du mich als ihren Anführer benennst?«
»Das ist ein Risiko, das ich eingehen muß. Komm jetzt mit mir, sie warten auf uns.«
Bartsai war wütend, aber er schluckte seinen Zorn hinunter, während er zusah, wie Kzun die Krieger durch das Tor hinausführte. Der nagende Schmerz in der Brust war wieder da – ein dumpfer, enger, eiserner Käfig um seine oberen Rippen. Er hatte sich sehr darauf gefreut, am Brunnen zu kämpfen. Dort standen viele Fluchtmöglichkeiten offen. Er und seine Männer hätten den Brunnen verteidigt, aber sie hätten sich auch in Sicherheit gebracht, wenn es notwendig geworden wäre. Jetzt saß er hier in dieser vergammelten Möchtegern-Festung in der Falle. Talisman kam zu ihm. »Wir müssen miteinander reden«, sagte er. »Komm.« Ein frischer Schmerz durchfuhr ihn, als er den Jüngeren ansah.
»Reden? Ich habe genug vom Reden. Wenn die Situation nicht so verzweifelt wäre, würde ich dich herausfordern, Talisman.«
»Ich verstehe deinen Zorn, Bartsai«, sagte Talisman. »Jetzt hör mich an: Kzun wäre bei einer Belagerung nutzlos gewesen. Ich habe ihn beobachtet, wie er hier durchs Gelände wanderte, habe seine Laterne die ganze Nacht hindurch flackern sehen. Er schläft im Freien. Hast du das gemerkt?«
»Ja, er ist schon merkwürdig. Aber was bringt dich zu der Annahme, er könnte
meine
Männer anführen?«
Talisman führte Bartsai zu dem Tisch im Schatten. »Ich weiß nicht, welche Dämonen Kzun plagen, aber es ist offensichtlich, daß er sich vor räumlicher Enge fürchtet. Er mag die Dunkelheit nicht, und er meidet geschlossene Räume. Wenn die Belagerung beginnt, werden wir alle hier eingeschlossen sein. Ich glaube, das hätte Kzun zerbrochen. Aber er ist ein Kämpfer, und er wird den Brunnen mit seinem Leben verteidigen.«
»Das hätte ich auch«, sagte Bartsai, ohne Talisman in die Augen zu sehen. »Wie jeder andere Anführer.«
»Wir alle tragen unsere eigenen Ängste in uns, Bartsai«, sagte Talisman leise.
»Was soll das heißen?« fuhr der Krummhorn-Anführer auf. Röte stieg ihm ins Gesicht. Erregt starrte er Talisman in die dunklen, rätselhaften Augen.
»Es soll heißen, daß auch ich mich vor den nächsten Tagen fürchte. Wie Quing-chin, Lin-tse und alle Krieger. Keiner von uns will sterben. Das ist ein Grund dafür, warum ich deine Anwesenheit hier schätze, Bartsai. Du bist älter und hast mehr Erfahrung als die anderen. Deine Ruhe und deine Kraft werden von großer Bedeutung sein, wenn die Gothir angreifen.«
Bartsai seufzte, und der Schmerz ließ nach. »Als ich in deinem Alter war, wäre ich hundert Kilometer geritten, um an dieser Schlacht teilzunehmen. Jetzt spüre ich den kalten Atem des Todes auf meiner Schulter. Er verwandelt mein Inneres in Pudding, Talisman. Ich bin zu alt, und es wäre am besten, wenn du dich nicht allzusehr auf mich verläßt.«
»Du irrst dich, Bartsai. Nur die Dummen sind furchtlos. Ich mag jung sein, aber ich kann Menschen gut beurteilen. Du wirst durchhalten, und du wirst die anderen Krieger
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