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Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar

Titel: Die Drenai-Saga 7 - Die Augen von Alchazzar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gemmell
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Keils hörte das Klatschen der Zügel auf den Rücken der vier Pferde, dann setzte sich die Kutsche in Bewegung. Seine Mutter wachte auf und schrie vor Schmerzen, und Keils hatte das Gefühl, ihm würde das Herz brechen.
    Die Fahrt dauerte nicht lange, denn das Hospiz war nicht weit vom Armenviertel entfernt. Keils folgte Klay, der sie in das Gebäude mit den weißen Mauern trug. Pfleger in langen weißen Tuniken liefen herbei, um zu helfen, legten Loira auf eine Trage und hüllten sie in eine dicke Decke aus weißer Wolle. Eduse führte sie durch einen langen Flur in den größten Raum, den Keils je gesehen hatte. An der Nord- und Südwand standen aufgereiht Strohbetten, in denen die Kranken und Sterbenden lagen. Viele Menschen waren im Raum – weißgekleidete Pfleger, Besucher, die kamen, um Verwandte oder Freunde zu sehen, Ärzte, die Medizin bereiteten. Die Träger brachten seine Mutter durch den Raum in einen weiteren Flur, bis sie schließlich in ein kleines Zimmer von etwa vier Metern Länge kamen. Sie betteten Loira auf eines der beiden schmalen Betten um, die mit frischen weißen Leintüchern bezogen waren, dann legten sie eine Decke über sie. Nachdem die Pfleger gegangen waren, holte Eduse eine Phiole mit einer dunklen Flüssigkeit hervor. Er hob Loiras Kopf an und flößte ihr die Flüssigkeit ein. Sie würgte, dann schluckte sie. Etwas von der Medizin tropfte auf ihr Kinn. Eduse tupfte es mit einem Tuch ab, dann legte er ihren Kopf behutsam wieder auf das Kissen.
    »Du kannst hier bei ihr schlafen, Keils«, sagte Eduse. »Und du auch«, wandte er sich an Tess.
    »Ich kann nicht bleiben«, sagte sie. »Muß arbeiten.«
    »Ich bezahle deinen … Lohn«, warf Klay ein.
    Tess schenkte ihm ein zahnlückiges Lächeln. »Das ist es nicht allein, schöner Mann. Wenn ich nicht an meinem Platz bin, übernimmt eine andere Hure mein Geschäft. Ich muß dort sein. Aber ich werde herkommen, wenn ich kann.« Sie ging auf Klay zu, nahm seine Hand, hob sie an die Lippen und küßte sie. Dann wandte sie sich verlegen ab und verließ den Raum.
    Keils ging zum Bett und nahm die Hand seiner Mutter. Sie schlief jetzt, aber ihre Haut war heiß und fühlte sich trocken an. Der Junge seufzte und setzte sich auf die Bettkante.
    Klay und Eduse gingen hinaus. »Wie lange?« hörte er Klay fragen. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
    »Schwer zu sagen. Der Krebs ist weit fortgeschritten. Sie könnte heute Nacht sterben – oder noch einen Monat leben. Du solltest nach Hause gehen – du hast morgen einen Kampf vor dir. Ich sah den Drenai kämpfen – du mußt in Bestform sein.«
    »Das werde ich, mein Freund. Aber ich gehe noch nicht nach Hause. Ich glaube, ich mache noch einen Spaziergang. Ein bißchen frische Luft. Weißt du, ich wollte nie ein Gott sein. Erst heute abend.«
    Keils hörte ihn fortgehen.
     
    Jarid war ein vorsichtiger Mann, ein Denker. Das verstanden nur wenige, denn sie sahen einen großen, schwerfälligen Bären mit runden Schultern, der langsam sprach – also wohl auch langsam denken mußte. Das war eine Fehleinschätzung, die Jarid nicht versuchte zu ändern. Ganz im Gegenteil. Er war in den Elendsvierteln von Gulgothir geboren und hatte schnell gelernt, daß man nur etwas erreichte, wenn man seine Mitmenschen übertölpelte. Die erste Lektion, die er lernen mußte, hieß, daß Moral nichts weiter als eine Waffe in den Händen der Reichen war. Es gab kein endgültiges Gut oder Böse – und würde es auch nie geben. Das ganze Leben war ein Diebstahl von der einen oder anderen Seite. Die Reichen nannten ihren Diebstahl Steuern, ein König konnte ein ganzes Volk durch Invasion und Eroberung stehlen, und die Menschen nannten das dann einen glorreichen Sieg. Doch wenn ein Bettler einen Laib Brot stahl, dann nannten das dieselben Menschen Diebstahl und hängten den Mann auf. Jarid wollte nichts davon wissen. Er hatte kurz nach seinem zwölften Geburtstag zum ersten Mal getötet, einen dicken Kaufmann, an dessen Namen er sich nicht mehr erinnern konnte. Er hatte ihn niedergestochen und ihm dann seine Börse entrissen. Der Mann hatte laut und lange geschrien, und seine Schreie verfolgten Jarid, als er durch die Gassen rannte. Mit dem Geld hatte er Medizin für seine Mutter und Schwester gekauft, und etwas zu essen für ihre eingefallenen Bäuche.
    Jetzt mit vierundvierzig, war Jarid ein fähiger Killer. So fähig, daß seine Künste sogar dem Staat zu Ohren gekommen waren, und jetzt wurde er für seine

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