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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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weit fortgeschritten, aber das Skelett ist bis auf die Beinmuskulatur noch gut erhalten. Meine vorläufige Beobachtung hat sich bestätigt, sein Genick ist unterhalb des Epistropheus gebrochen. Das muss zu einer Verletzung des Rückenmarks geführt haben. Er war tot, als das Feuer ausbrach. Zumindest haben wir einen normalen CO-HB-Wert in den einigermaßen unversehrten Gliedmaßen festgestellt. Er hat keinen Rauch eingeatmet. Ich denke, eine eingehende Gewebeuntersuchung wird meinen Befund bestätigen.«
    »Gibt es Spuren von Gewalteinwirkung?«
    »Das lässt sich leider nicht mehr feststellen«, sagte Dr. Deringer.
    »Dann wäre es auch denkbar, dass es ein Unfall gewesen ist«, mischte sich Tom Winterstein ein.
    »Wie ich sagte, war er jedenfalls tot, als ihn das Feuer erfasste«, erwiderte Dr. Deringer. »Natürlich kann er sich die Verletzung auch bei einem unglücklichen Sturz aus einer gewissen Höhe oder auf eine Tischkante zugezogen haben. Das müssen Sie schon selbst herausfinden.«
    »Gibt es Hinweise auf die Todeszeit?«
    »Bei einer Brandleiche dürfte das eher schwierig sein«, erwiderte die blonde Frau. »Wir haben einen toxikologischen Befund aus dem Labor angefordert und die DNA-Analyse durchgeführt, aber ob wir Aufschluss über die Todeszeit erhalten, ist eher fraglich.«
    »Gibt es sonst noch etwas von Interesse?«
    Die zierliche Pathologin nahm einen Schluck Kaffee. »Alles, was die Obduktion bisher ergeben hat, habe ich Ihnen gesagt. Also, Unfall oder Mord. Das ist hier die Frage.«
    Dwain zog die Stirn kraus. »Jack lebte schon lange dort draußen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er auf einmal in seiner gewohnten Umgebung verunglückt.«
Montego Bay, Jamaika
    Das kleine blaue Haus auf dem Hügel jenseits des Strandes auf der Nordseite der Insel lag im strahlenden Glanz der untergehenden Sonne. Der heiße und sonnige Tag verabschiedete sich und nahm die Schwüle mit sich. Der Wind hatte aufgefrischt und blies aus nordöstlicher Richtung. Der Strand hatte sich geleert, die Menschen zogen sich in die Bars und Cafés in den Straßen zurück und überließen das Meer sich selbst. Stille senkte sich über Montego Bay.
    Der Seismograf, der in dem kleinen blauen Haus in einer gemauerten Nische stand, gehörte dem Institute of Seismological Research, das wiederum eng mit der NOAA in Boulder zusammenarbeitete. Kurz nachdem die Sonne hinter dem Horizont verschwunden war, setzte sich der ruhende Schreibstift aus Metall in Bewegung. Immer hektischer wurden die Bewegungen, immer größer die Ausschläge. In kurzen Intervallen raste der Schreibstift auf der Rolle aus Papier hin und her und hinterließ ein dunkel gezacktes Muster.
    Die Menschen in der Stadt stürmten hinaus auf die Straße. Ein dumpfes Brummen war zu hören, das selbst die spitzen Schreie der Frauen überlagerte. Ganze zweiundfünfzig Sekunden dauerte der Spuk. Dann kehrte die Ruhe zurück nach Montego Bay. Doch die Angst blieb.
Luzon-Straße, Südchinesisches Meer
    Das Tiefdruckgebiet vor den Philippinen war im Laufe des Tages nach Nordwesten weitergewandert. Den ganzen Tag lang hatte das warme Wasser der Meeresoberfläche in der Luzon-Straße die Luft aufgeheizt, die mit rasanter Geschwindigkeit aufgestiegen war und den Wasserdampf in die höheren Regionen der Atmosphäre transportiert hatte. Die Corioliskraft hatte das Gemisch aus Wasser und Luft in eine spiralförmige Drehung versetzt und einen riesigen Wolkenschirm aus dichten Gewitterwolken ausgebildet. Nachdem der Luftdruck durch die Verlagerung des Tiefs über den Philippinen im Auge des Sturms stark abgefallen war, hatte sich die Rotationsgeschwindigkeit der Winde auf über 220 Kilometer pro Stunde gesteigert. Immer weiter krümmte sich der Wolkenschild an der Tropopause, bis er einen Durchmesser von knapp dreihundert Kilometern erreichte. Der anhaltende Südostwind trieb den entstandenen Sturm immer weiter in Richtung der chinesischen Küste voran.
    Noch bevor sich die Nacht über die Stadt Swatou in der Provinz Kwangtung senkte, bereitete das chinesische Militär die Evakuierung der Küstenbevölkerung vor und traf notwendige Vorkehrungen zum Schutz gegen den Taifun. Sollte der Sturm seine augenblickliche Zuggeschwindigkeit beibehalten, würde er in weniger als 72 Stunden die Küste erreichen. Ambo, der erste Taifun dieses Jahres in der Region, war ein tropischer Zyklon der Stärke 4. Die Regierung erwartete eine Flutwelle von bis zu fünf Metern Höhe. Der Wind würde starke

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