Die dritte Ebene
an einen Rettungsring.«
Professor James Paul räusperte sich. »Meine Herren! Nicht schon wieder eine solche Diskussion. Das führt zu nichts. Wir haben uns hier am Tisch versammelt, weil hier jeder seinen Beitrag zur Lösung unserer Problemfälle beitragen soll, dazu gehört es auch, respektvoll mit der Meinung anderer umzugehen. Mich würde Ihre Theorie interessieren, Dr. Saint-Claire, bitte fahren Sie fort.«
Brandon, offenbar verschnupft wegen Pauls mahnender Worte, blickte wieder geflissentlich aus dem Fenster.
Brians Miene blieb unbeeindruckt. Innerlich jedoch triumphierte er. »Wir haben lange Zeit unser Gehirn als eine Denkmaschine betrachtet, deren Funktionsweise aus Erbgut, Erziehung und Erfahrung sowie automatischen Steuerungsfunktionen gespeist wird«, erklärte er. »Mittlerweile wissen wir, und das ist durch jahrelange empirische Forschungsarbeit von ›Fantasten‹ belegt worden, dass unser Gehirn ein hochkomplexes System ist, das mehr kann als nur denken und steuern. Viele Fähigkeiten gingen uns bereits im Rahmen der Evolution verloren oder rutschten in eine nur wenig ausgeprägte Region, in manchen Bereichen werden wir schlauer, andere Bereiche verkümmern, weil wir sie nicht mehr benötigen. Das war einmal anders. Noch heute registrieren wir bei manchen Naturvölkern die Fähigkeit, ein Gespür für Gefahr zu entwickeln. Ich meine damit nicht das Wissen, dass die Berührung einer heißen Herdplatte zu Schmerzen und Verbrennungen führt, sondern ich rede von dem, was manche salopp den siebten Sinn nennen.«
»Und was hat das mit unseren Patienten zu tun?«, fragte Professor Buchhorn, der neben Brandon saß und Brian interessiert musterte.
»Ich will es kurz erklären«, erwiderte Brian. »Die Astronauten schliefen, während sie durch den Sturm flogen. Sie schliefen während der Beinahekatastrophe, und sie schliefen auch noch danach, bis sie schließlich fünf Tage später gemeinsam erwachten. Wir alle wissen aus den medizinischen Gutachten, dass ihr komaähnlicher Schlaf kein typisches Koma war. Es war ein Tiefschlaf, aus dem es ein verspätetes Erwachen gab und für den es keine Erklärung gibt. Ebenso wenig wie für die nächtlichen Albträume und die Übereinstimmungen der Trauminhalte, die sie eindrücklich und unabhängig voneinander im Schlaf schilderten. Auch der Verlust des Sprachvermögens im Wachzustand ist unerklärlich, wenngleich es für ein solches Verhalten im Bereich der schweren Traumata gewisse Analogien gibt. Mittlerweile wissen wir, dass es im Schlaf Phasen gibt, in denen unser Körper quasi abgeschaltet, aber unser Geist hellwach und überaus empfänglich für äußere Wahrnehmungen ist. Außerdem wissen wir, dass wir Bereiche unseres Gehirns durch extrem lange Wellen intuitiv stimulieren können. Ich glaube, in diesen Stürmen gab es solche Wellen und dass genau deshalb die Astronauten die gleichen Visionen quälen. Wir werden vergeblich in den Erinnerungen suchen.«
»Sie meinen, es waren Visionen, also Hellseherei: dass das, was die beiden gesehen haben, erst noch passieren wird?«, fragte Buchhorn skeptisch.
»Ich weiß nicht, ob es passieren wird, aber ich denke, die Bilder, die zu ihrer Traumatisierung führten, haben denselben Ursprung.«
Brandon lachte laut auf. »Professor Paul, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich denke, es reicht jetzt«, sagte er. »Mich würde nicht wundern, wenn er uns gleich mit kleinen grünen Männchen in fliegenden Untertassen kommt. Ich kann dieses Gefasel wirklich nicht mehr länger ertragen. Meine Zeit ist zu kostbar, als dass ich sie mit solchen Spinnereien vertun kann.«
Professor Paul hob beschwichtigend die Hände. »Wir haben ja einen Meteorologen unter uns«, wandte er sich Wayne Chang zu. »Ist es vorstellbar, dass es tatsächlich zu einer Beeinflussung durch extrem langwellige Strahlung innerhalb eines Sturms kommen kann?«
Wayne schaute den Anwesenden ins Gesicht und straffte den Oberkörper. »Grundsätzlich kommt innerhalb eines Sturms eine hohe Bandbreite von weicher und auch harter Strahlung vor. Bisher sind mir jedoch keine Beeinflussungen bekannt, wie sie Dr. Saint-Claire soeben beschrieb. Aber ich wüsste auch nicht, dass jemals intensiv eine Strahlungs- und Frequenzanalyse eines Hurrikans durchgeführt wurde. Solange keine radioaktive Gammastrahlung vorkommt, sind die Auswirkungen des Sturms selbst viel drastischer. Da mir aber Dr. Saint-Claire die gleiche Frage vor ein paar Tagen stellte, habe ich an die NOAA eine
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