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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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zu bitten. Er wollte keine vernarbten Wunden aufreißen.
    Nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, schenkte er aus der halb vollen Flasche nach. Er leerte sie und zahlte am nächsten Morgen seinen Tribut. Sein Kopf brummte.
    Als Suzannah und er nach einem gemeinsamen Frühstück ins Krankenzimmer blickten, lag Helmut Ziegler auf seinem Bett und lauschte der beruhigenden Musik, die aus den Lautsprechern sickerte. Während Brian im Überwachungsraum blieb, setzte sich Suzannah zu ihm ans Bett.
    »Wie geht es Ihnen heute?«, fragte sie.
    Ziegler lächelte.
    »Ist die Nacht ruhig verlaufen?«
    »Danke, ich habe gut geschlafen«, antwortete der Astronaut. »Welcher Tag ist heute?«
    Suzannah blätterte in den Diagrammen des EEG. »Heute ist Sonntag.«
    Die Aufzeichnungen zeugten abermals von einer Nacht ohne Zwischenfälle. Die dritte ruhige Nacht in Folge, es war langsam an der Zeit, mit der eigentlichen Konfrontationstherapie zu beginnen.
    »Wir wollen dort weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben«, sagte Suzannah. »Machen Sie es sich so gemütlich wie möglich. Die Musik lassen wir laufen. Sie wissen, ich bin in Ihrer Nähe. Es wird Ihnen nichts passieren.«
    Routiniert begann Suzannah damit, die Hypnose einzuleiten. Stück um Stück tastete sie sich vor. Zieglers Atmung verlangsamte sich, seine Muskulatur entspannte sich zunehmend. Brian verfolgte die Aufzeichnungen der Überwachungsgeräte. Es dauerte nicht lange, bis die wohlklingende Monotonie von Suzannahs Worten Wirkung zeigte. Zieglers Körper erschlaffte. Die Entspannung vertiefte sich, und das Wachbewusstsein war kaum noch aktiv.
    Suzannah fuhr fort. Bislang hatte sie noch nicht gewagt, so weit zu gehen. Sie wusste nicht, ob es ihr gelang, die absolute Tiefe in Zieglers Geist zu erreichen. Wie würde er reagieren, wenn er an seine Albträume erinnert wurde? Es war durchaus möglich, dass sie eine Blockade in ihm auslöste, einen Rückfall, schwere Halluzinationen oder Panikreaktionen. Suzannah wagte den Übergang von der Hypotaxie in die Somnambulanz, die Stufe der tiefsten Trance, die vollkommene Hingabe und Selbstaufgabe.
    Brian starrte erwartungsvoll durch die Glasscheibe. Seine Muskeln waren gespannt. In dieser Situation musste man mit allem rechnen. Unberechenbare Reaktionen waren zwar nicht häufig, aber in dem Zustand, in dem sich die beiden unglückseligen Astronauten befanden, keineswegs auszuschließen.
    Über zehn Minuten hielt Suzannah ihren Patienten in der tiefen Trance, bevor sie ihn langsam wieder aufweckte. Zehn Minuten hatte sie mit ihm gesprochen, ihm Fragen gestellt, war in sein Innerstes vorgedrungen, in seine Kindheit und in die Zeit der Sturm-und-Drang-Phase als pubertierender Jugendlicher. Tunlichst hatte sie es vermieden, ihn nach den Albträumen zu befragen. Dafür war es noch zu früh.
    »Wie fühlen Sie sich?«, fragte sie, als er wieder zu sich gekommen war.
    Ziegler schaute sich forschend im Zimmer um. Dann zeigte er auf die abgedunkelte Glasscheibe in der Wand. »Sie sind nicht allein«, antwortete er. »Wer sitzt dahinter?«
    Suzannah überraschte die Frage. Einen Augenblick lang war sie perplex und wusste nicht, was sie sagen sollte. Wie kam er nur darauf? »Es ist … dort ist ein Kollege von mir«, entgegnete sie schließlich mit brüchiger Stimme.
    Ziegler lächelte und hielt die gelösten Lederbänder in seinen Händen. »Bin ich gefährlich?«, fragte er.
    Suzannah Shane schüttelte den Kopf. »Sie sollten sich jetzt ausruhen. Sie brauchen eine Pause. Wir machen heute Mittag weiter.«
    »Bringen Sie Ihren Kollegen ruhig mit«, rief Ziegler ihr nach, als sie das Zimmer verließ.
     
    »Verstehst du das?«, fragte sie nachdenklich.
    Brian hatte sich erhoben. »Ich habe mit solchen Reaktionen gerechnet«, sagte er.
    Suzannah kräuselte die Stirn. »Also, jetzt reicht es mir!«, sagte sie energisch. »Ich will endlich wissen, worauf du hinauswillst! Und weiche mir nicht schon wieder aus, so wie gestern Abend. Wieso fragst du nach Frequenzen in Stürmen? Du redest von Visionen, von Hellseherei und vom zweiten Gesicht. Und jetzt tust du, als ob dich Zieglers Frage nicht überrascht, im Gegenteil, du sagst, du hast damit gerechnet. Was ist los, was verbirgst du vor mir?«
    Brian hob beschwichtigend die Hände. »Ich kann es dir jetzt noch nicht erklären. Vertraue mir. Ich brauche erst noch ein paar Details. Bisher ist es nur eine vage Theorie.«
    »Dann erzähle mir davon!«
    »Ich habe gestern erlebt, welche Reaktionen

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