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Die dritte Ebene

Die dritte Ebene

Titel: Die dritte Ebene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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die Jagd nach dem Licht begeben haben, verstehen Sie? Mit anderen Worten, es sind Spinner, die ihr Geld für leere Phrasen und warmen Wind ausgeben. Warum sollten sie keine Kettchen mit Amuletten tragen, die sie gegen die Geister beschützen, die nachts aus dem Dunkel in ihre Köpfe kriechen?«
    Porky schüttelte nur den Kopf.
    »Verkaufen ist keine Frage der Moral, sondern der Nachfrage«, führ Myers mit seinen Universitätssprüchen fort. »Allein der Profit macht eine Sache gut oder schlecht.«
    Schließlich hatte Porky die Segel gestrichen. Die erste Schlacht war geschlagen, und der Verlierer trollte sich und zog sich zurück in die enge und trügerische Sicherheit seines Büros.
    Als an diesem Morgen Porkys Sekretärin die Druckfahne der Juliausgabe auf seinen Schreibtisch legte, besah er sich, was nicht mehr zu verhindern war. Zwei Anzeigenseiten im Hochglanzformat mit allerlei Tand und Schnickschnack. Ein Silberkreuz gegen die Macht des Teufels für 49 Dollar, eine Packung Tarotkarten mit handgemalten Symbolen für 19 Dollar, vergoldete keltische Schlangenamulette als Ohrringe für 99 Dollar und ein langer silberner Dolch auf einem verzierten Holzbrett für 290 Dollar. Porky zog eine Grimasse. Das war der Untergang des Magazins, dessen war er sich sicher. Ausgerechnet jetzt, wo das Magazin an Verkaufszahlen zugelegt hatte, setzte ihm Harbon diesen verzogenen Yuppiebengel vor die Nase, damit er Stück um Stück die Philosophie zerstören konnte, die sich ESO-Terra einst auf die Fahnen geschrieben hatte.
    Gerade weil sich das Magazin über Jahre hinweg einen seriösen Ruf erarbeitet hatte, war es nicht von der Bildfläche verschwunden wie all die anderen Zeitschriften, die sich auf dem Gebiet des Übersinnlichen tummelten. Porky erhob sich und schleuderte die Druckfahne in die Ecke. Es war an der Zeit, sich nach einem neuen Job umzusehen.
    Er wandte sich um und setzte sich wieder an seinen Schreibtisch. Erst jetzt sah er das dicke Kuvert, das seine Sekretärin zusammen mit der Druckfahne hereingebracht hatte. Auf dem Adressfeld stand:
     
    Mr Brian Saint-Claire
    Persönlich
    Redaktion ESO-Terra
    OH-9734 Cleveland
     
    Vergeblich suchte Porky nach dem Absender. Er griff zum Telefon und wählte Brians Handynummer. Vielleicht würde er ihn heute erreichen, oft genug hatte er es bereits vergeblich versucht. Bestimmt war er längst aus Florida zurückgekehrt. Ihm war nach ein, zwei Bier und nach Reden zumute, und Brian war schon immer ein guter Zuhörer gewesen. Er würde sagen, such dir einen anderen Job. Womit er recht hätte.
    Wieder war Brian nicht erreichbar. Porky warf den Hörer auf die Gabel, erhob sich und schnappte seine Jacke. Ein paar Whiskeys nebenan in Joeys Bar würden ebenfalls ihren Zweck erfüllen.
New Orleans, Louisiana
    Die Sonne brannte heiß über der Stadt. Die Wolken hatten sich verzogen, und ein tiefes Blau füllte den Horizont. Fjodor war im Hinterland verendet, und während er in seinen letzten Zügen lag, hatte er die Städte im Mittleren Westen bis hinauf nach Kanada in ein graues Regenband getaucht. Nun tastete sich ein Hochdruckgebiet langsam über den Golf auf die versunkene Stadt an der Mündung des Mississippi voran. Die Rettungskräfte arbeiteten fieberhaft, in den Schutzräumen stapelten sich die Leichen. Pioniere der Army arbeiteten Hand in Hand mit den Abteilungen des Katastrophenschutzes und versuchten die gebrochenen Dämme wieder aufzuschütten und das Wasser aus der Stadt hinauszupumpen. Immer wieder kam es zu Rückschlägen. Die geflickten Teilstücke stürzten wieder ein, oder der aufgeweichte und brüchige Deich des Lake Pontchartrain brach an anderen Stellen auf. Ein paar Tage Sonnenschein wären diesbezüglich hilfreich, erhöhten jedoch auf der anderen Seite die Gefahr von Seuchen.
    Ein modriger und faulig-süßer Gestank lastete auf der Stadt, und die Luft schien zu keiner Bewegung mehr fähig. Über einhunderttausend Tote waren bereits geborgen, und ebenso viele wurden noch vermisst. Rechtsmediziner, Pathologen und Ärzte aus allen Teilen der USA waren in Mobile zusammengezogen worden, um bei der Identifizierung der Leichen zu helfen.
    Zwei Tage hatte der Präsident im Krisengebiet zugebracht, hatte sich den Presseteams gezeigt und Ansprachen gehalten. Zusammen mit Bauarbeitern an einem Deich, mit Nationalgardisten in den abgetrockneten Straßen im Südwesten oder mit dem Gouverneur bei der Beisetzung von Flutopfern auf dem Friedhof in Laplace hatte er sich ablichten

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